Chroniken: Unterschied zwischen den Versionen

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* Ausdruck städtisch-bürgerlichen Selbstbewußtseins
 
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* binden Stadtgeschichte gerne in Weltgeschichte ein (Typ der ``städtischen Weltchronik´´)
 
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* offiziöser Charakter: Chronisten meist Stadtschreiber oder Ratsherren, private Stadtchroniken seltener
 
* offiziöser Charakter: Chronisten meist Stadtschreiber oder Ratsherren, private Stadtchroniken seltener

Version vom 18. Juni 2012, 22:00 Uhr


Charakteristika

  • gehören zu den erzählenden Quellen, genauer: den historiographischen Quellen,
  • gelten als Art Weiterentwicklung der Annalen (mit denen sie einiges gemein haben), besitzen aber auch eigenständige Ursprünge,
  • sind meist zusammenhängend von einem Autor (oder mehreren Autoren nacheinander) verfaßt,
  • bieten nicht nur Fakten, sondern versuchen, deren Zusammenhänge zu erklären,
  • legen Wert auf sprachliche Gestaltung,
  • behalten zwar oft das annalistische Schema (Organisation nach Jahreseinträgen) bei; viele Chroniken sind jedoch auch stattdessen in ``Bücher´´ und ``Kapitel´´ eingeteilt und manchmal sogar mit einem Inhaltsverzeichnis versehen.

Wichtig zu beachten: Chroniken sind häufig Auftragswerke, die mit bestimmten (und oft bestimmbaren) Absichten verfaßt wurden.

Der formale Begriff ``Chronik´´ steht (als Sammelbegriff) tatsächlich für eine Vielzahl inhaltlicher Typen. (Goetz, Proseminar, 111)

Inhaltliche Gliederung

  • nach dem Gegenstand (z.B. in Reichsgeschichte und Kirchengeschichte)
  • nach einer Institution (z.B. Hof-, Bistums-, Kloster-, Stadtchronistik)
  • nach dem Berichtshorizont (Welt-, Reichs-, Regional-, Lokalchronik)


Weltchroniken

  • auch Universalchroniken
  • ausgreifender Berichtszeitraum: Versuch die gesamte Geschichte von den Anfängen (d.h. von Schöpfung, Adam u. Eva oder Christi Geburt) bis zur Gegenwart erfassen
  • umfassender Inhalt: Behandeln sowohl Kirchen- wie Reichsgeschichte
  • räumlicher Horizont: Beginnen zwar meist sehr weit (beschreiben ``Menschheitsgeschichte´´, sind hier aber auf andere Quellen angewiesen), schrumpfen aber im zeitgenössischen Teil meist zu Reichschroniken; einige enden gar recht kleinteilig (oft vor der Haustür des Verfassers)
  • heilsgeschichtliche Ausrichtung: Menschliche Geschichte wird als Geschehen im göttlichen Heilsplan verstanden.


Hier setzt der für den Historiker wichtige Umstand an, daß viele Weltchroniken die Geschichte zu ordnen versuchen, indem sie auf meist biblisch motivierte, im Mittelalter bedeutsame Systeme der Epocheneinteilung zurückgreifen, z.B.:

  • die sechs Weltalter (nach den sechs Schöpfungstagen zu je 1000 Jahren oder nach den sechs menschlichen Lebensaltern)
  • die vier Weltreiche (nach dem Buch Daniel): Babylonier, Perser, Griechen, Römer [wichtig für das lateinische Kaisertum, Stichwort: Translatio imperii]


Beispiele wichtiger (Welt-)Chroniken:

  • Weltchronik des Eusebius von Cäsarea (bis 325), von Kirchenvater Hieronymus ins Lateinische übersetzt und bis 378 weitergeführt
  • Weltchronik des Beda Venerabilis (gest. 735)
  • Weltchronik des Regino von Prüm (gest. 915)
  • Otto von Freising (gest. 1158), Chronica sive historia de duabus civitatibus (``Geschichte der zwei Reiche´´ oder auch ``Weltchronik des O. v. F.´´)

Weitere wichtige Typen von Chroniken:

Reichschroniken
  • Übergänge zu Weltchroniken oft fließend
  • Darstellung von Reichsgeschichte als Königsgeschichte oder Geschichte königlicher Dynastien
Volkschroniken

origines gentium

  • erst in Zeiten eigenständiger (d.h. meist königlicher) Herrschaft verfaßt
  • verfolgen Geschichte des ``Volkes´´ (gens) bis zu den Ursprüngen (origines) zurück (= origines gentium)
Bistums- und Klosterchroniken
  • stark verbreitet
  • auf regionaler Ebene zu verorten
  • Bistumschroniken am Bistum und seinen Bischöfen, Klosterchroniken am Kloster und seinen Äbten orientiert (bei letzteren wichtig: der Gründungsbericht/fundatio)
Genealogien
  • interessieren sich für Familien und Abstammungsverhältnisse
  • Vorbild: Bericht zu biblischen Urgeschlechtern (Genesis)
  • Kataloge oder Stammbäume, oft auch in bildlicher Form
  • selbständig oder als Teil anderer Quellen (v.a. Chroniken)
Hauschroniken
  • durch Erweiterung der Abstammungslisten um die Taten von Familienangehörigen ausgestaltet
  • in enger Verbindung zur Entstehung der Territorialstaaten, da meist für fürstliche Familien entstanden
  • überliefern meist Familen- und Landesgeschichte
Landeschroniken
  • erst im Spätmittelalter entstanden
  • eng angelehnt an Territorialherrschaften
  • stark an Dynastie der Landesherren angelehnt (vgl. Reichschroniken)
  • Übergang zu Hauschroniken fließend
Stadtchroniken
  • stark verbreitet
  • in Italien im Hoch-, sonst erst im Spätmittelalter aufkommend
  • sehr unterschiedlich ausgestaltet
  • Ausdruck städtisch-bürgerlichen Selbstbewußtseins
  • binden Stadtgeschichte gerne in Weltgeschichte ein (Typ der ``städtischen Weltchronik´´)
  • Frühformen an Bistumschroniken angelehnt
  • offiziöser Charakter: Chronisten meist Stadtschreiber oder Ratsherren, private Stadtchroniken seltener
Kriegs- und Kreuzzugschroniken
  • thematischer Sammelbegriff für unterschiedlich ausgestaltete Chroniken
  • manche legen nur Ausschnitte aus Reichsgeschichte vor (könnten also genausogut als Kapitel in anderer Chronik stehen), andere wiederum sehr eigenständig gestaltet
  • Kreuzzugschroniken teilweise mit Elementen von Reiseberichten verfaßt


Eine Besonderheit stellen die sog. Gesta dar. Dieser (im modernen Gebrauch eher formal zu verstehende) Begriff bezeichnet Chroniken einer Institution (z.B. Königtum, Bistum, Kloster), die im wesentlichen als Abfolge von Lebensbeschreibungen der einzelnen Amtsträger (Könige, Bischöfe, Äbte) ausgefertigt sind (lat. gesta = Taten).