Skript: Recherche: Unterschied zwischen den Versionen

Aus OKAPI Geschichte
Wechseln zu: Navigation, Suche
(Halbsystematische Informationsbeschaffung ("Schneeballsystem"))
(Recherchieren, Teil IV: Systematische Informationsbeschaffung)
Zeile 166: Zeile 166:
 
Abschließend sei jedoch gewarnt, dass das ``Schneeballsystem´´ nichts weiter als eine Arbeitsmethode darstellt, um sich in einem Überangebot von Literatur schnell zu orientieren. In jedem Recherchefall ist nach Fragestellung und Materiallage zu entscheiden, ob eine systematische Suche nicht von vornherein effektiver wäre – das ``System´´ ersetzt also niemals das eigenständige Denken!
 
Abschließend sei jedoch gewarnt, dass das ``Schneeballsystem´´ nichts weiter als eine Arbeitsmethode darstellt, um sich in einem Überangebot von Literatur schnell zu orientieren. In jedem Recherchefall ist nach Fragestellung und Materiallage zu entscheiden, ob eine systematische Suche nicht von vornherein effektiver wäre – das ``System´´ ersetzt also niemals das eigenständige Denken!
  
== Recherchieren, Teil IV: Systematische Informationsbeschaffung ==
+
<br>
 +
== Systematische Informationsbeschaffung ==
  
Das sog. Schneeballsystem erzeugt für gewöhnlich schnell gute Ergebnisse, für eine wirklich systematische Recherche ist es auf Dauer jedoch nicht effektiv genug. Möchte oder muss man tatsächlich umfassend oder vollständig recherchieren, braucht man deutlich mehr als den einen Einstiegspunkt des Schneeballsystems: Man benötigt Überblick, man benötigt Vollständigkeit, kurz gesagt: man benötigt ''bibliographische Vorarbeiten''.
+
Das sog. Schneeballsystem erzeugt für gewöhnlich schnell gute Ergebnisse, für eine wirklich systematische Recherche ist es auf Dauer jedoch nicht effektiv genug. Möchte oder muss man tatsächlich umfassend oder vollständig recherchieren, braucht man deutlich mehr als den einen Einstiegspunkt des Schneeballsystems: Man benötigt Überblick, man benötigt Vollständigkeit, kurz gesagt: man benötigt '''bibliographische Vorarbeiten'''.
  
Zum Glück gibt es für den Historiker eine große Zahl bibliographischer Hilfsmittel. Für den einfachen Einstieg kann schon das „Begleitheft zum Proseminar“ herhalten. Darüber hinaus sind vor allem
+
Zum Glück gibt es für den Historiker eine große Zahl bibliographischer Hilfsmittel. Für den einfachen Einstieg kann schon das [[Recherche (Mittelalter) (Literatur)#begleitheft|``Begleitheft zum Proseminar´´]] herhalten. Darüber hinaus sind vor allem
* Baumgart, Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte
+
* Baumgart, [[Recherche (Mittelalter) (Literatur)#baumgart|Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte]]
* Goetz, Proseminar Geschichte: Mittelalter
+
* Goetz, [[Einführungen (Mittelalter) (Literatur)#goetz|Proseminar Geschichte: Mittelalter]]
  
 
Gold wert. Während der Baumgart einen deutlich größeren Umfang hat (und über das Mittelalter hinausgeht), bietet der bibliographische Teil des Goetz’ für den Einsteiger hilfreiche Kommentierungen zu den Literaturangaben. Entscheidend ist jedoch nicht, wie viele Literaturtitel hier insgesamt versammelt sind: In diesen beiden Verzeichnissen findet man alle wichtigen und eine Reihe weniger wichtiger Bibliographien verzeichnet, die man braucht: umfangreiche Titelsammlungen und Datenbanken zu verschiedenen Literatursorten ebenso wie Spezialbibliographien mit Literatur zu bestimmten Epochen, Forschungsbereichen und Einzelthemen. Daneben bieten beide Werke vor allem aber auch Zugriff zu den überaus wichtigen Quellenkunden und Quellenverzeichnissen – auch das ist aber ein anderes Thema.
 
Gold wert. Während der Baumgart einen deutlich größeren Umfang hat (und über das Mittelalter hinausgeht), bietet der bibliographische Teil des Goetz’ für den Einsteiger hilfreiche Kommentierungen zu den Literaturangaben. Entscheidend ist jedoch nicht, wie viele Literaturtitel hier insgesamt versammelt sind: In diesen beiden Verzeichnissen findet man alle wichtigen und eine Reihe weniger wichtiger Bibliographien verzeichnet, die man braucht: umfangreiche Titelsammlungen und Datenbanken zu verschiedenen Literatursorten ebenso wie Spezialbibliographien mit Literatur zu bestimmten Epochen, Forschungsbereichen und Einzelthemen. Daneben bieten beide Werke vor allem aber auch Zugriff zu den überaus wichtigen Quellenkunden und Quellenverzeichnissen – auch das ist aber ein anderes Thema.

Version vom 3. Juli 2012, 09:50 Uhr


Vorbemerkungen

Erkenntnisinteresse

Vor jeder Recherchearbeit steht grundsätzlich die Fragen nach dem Sinn und Zweck – anders formuliert: nach dem Erkenntnisinteresse.

  • Möchte man sich schnell über einen Begriff informieren, auf den man gestoßen ist, um ihn in den Zusammenhang einordnen zu können?
  • Möchte man gezielt einen bestimmten Sachverhalt, einen Namen, ein Datum in Erfahrung bringen?
  • Möchte man schnell die wichtigsten Aspekte eines Themas erfassen, um sich für weitergehende Arbeiten orientieren zu können?
  • Möchte man zu einem Thema ein möglichst umfangreiches Wissen erlangen, z.B. um es für ein Referat oder eine Hausarbeit aufzuarbeiten?

Diese vier Fragen führen zu vier unterschiedlichen Recherchebemühungen.

Information und Literatur

Das Erkenntnisinteresse ist stets auf Wissen, besser: Information, gerichtet – der Weg dahin führt jedoch häufig über den Zwischenschritt der Literaturbeschaffung. Diese ist ein Muss im Falle der vierten, ein Kann im Falle der zweiten und dritten Frage, für die erste jedoch (mit Ausnahme besonders exotischer Fälle) unerheblich. Es gilt also zu differenzieren!

Verlässlichkeit

In einem weiteren Punkt muss differenziert werden: Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man sich mit einer erlangten Information zufrieden geben kann, wenn sie sich ohne Widersprüche in das eigene Vorwissen einpassen lässt, oder ob man sich auf den „Wahrheitsgehalt“ der Information verlassen, sie gar zitieren oder belegen muss.

Die Belegpflicht ist übrigens keine Besonderheit der wissenschaftlichen Welt: Wer in der nichtakademischen Arbeitswelt Ergebnisse, Inhalte und Zahlen zu präsentieren hat, muss sich der Verlässlichkeit seiner Angaben ebenso sicher sein wie der Verfasser einer wissenschaftlichen Arbeit.


Punktuelle Informationsbeschaffung

Etwas Nachschlagen

Eine punktuelle Informationsrecherche ist stets eine gezielte Suche – nach einem Begriff, einem Namen, einem Datum, einem Ereignis etc. Damit ist die punktuelle nicht nur die grundlegendste, sondern zugleich auch die einfachste Suche, da genau zu diesem Zweck eine Vielzahl von Nachschlagewerken existiert, welche dem Rechercheinteresse direkt begegnen, weil sie eben durch Begriffe, Namen, Zahlen etc. strukturiert werden.

Für die meisten Fälle empfiehlt sich hier der Blick in ein Nachschlagewerk. Dabei sollte die Suche grundsätzlich vom Allgemeinen zum Speziellen ablaufen: von einschlägigen Lexika und Wörterbüchern über spezifische Nachschlagewerke bis hin zu sog. Handbüchern.

Allgemeine Lexika und Wörterbücher

Die einfache Suche nach Begriffen, Namen oder Daten kann völlig problemlos auf der Ebene von Brockhaus oder Wikipedia beginnen. Auch fremdsprachliche Begriffe lassen sich so meist recht einfach verorten – es sei denn, sie werden als Fachbegriffe gebraucht.

Wer aber wissen möchte, welche Rolle ein Bischof im Mittelalter spielte, für den bleibt die Konsultation allgemeiner Nachschlagewerke häufig unbefriedigend, da die historische Komponente heute gebräuchlicher Begriffe dort meist zu kurz kommt.


Spezifische Nachschlagewerke

Hier kommen fachspezifische, d.h. Nachschlagewerke zur Geschichte ins Spiel, gegliedert in Lexika und Wörterbücher zur Geschichte im Allgemeinen sowie themen-, epochen- oder objektspezifische Nachschlagewerke:

Allgemeine Nachschlagewerke zur Geschichte

Hier gibt es inzwischen eine Reihe von Publikationen – meist im Taschenbuchformat – auf dem Markt, die sich in Preis und Umfang (ein bis zwei Bände) für das Grundstudium oder das bildungsbürgerliche Buchregal empfehlen, z.B.:


Epochenspezifische Nachschlagewerke

Das Nachschlagewerk zur mittelalterlichen Geschichte ist das zehnbändige

Es bietet knapp 37.000 Artikel zu Sachbegriffen, biographischen und topographischen Stichworten. Kurze Einträge stehen neben umfangreichen, strukturierten Einführungsartikeln zu Hauptbegriffen (wie Bischof oder Grundherrschaft) und detailreichen historischen Abrissen zur Geschichte von Ländern, Städten, Herrschaften, Ideen, Begriffen und Rechtsverhältnissen. Gelegentlich übersteigt das Niveau der Artikel jedoch deutlich den Horizont eines Anfängers – hier tut sich eine Informationslücke auf zwischen LexMA und dem einbändigen, nur einführende Sachartikel liefernden

Wer einen schnellen Zugriff auf mittelalterspezifische Daten und Fakten braucht, ist mit

besser bedient. Weitere empfehlenswerte Titel:


Themenspezifische Nachschlagewerke

Für viele Schwerpunktbereiche der Geschichtswissenschaft gibt es eigene Referenzwerke zum Nachschlagen. Insbesondere die Titel aus der Rechts-, Ideen- und Kirchengeschichte sind dabei auch für das „normale“ Studium interessant; die wichtigsten sind:


Objektspezifische Nachschlagewerke

Weiterhin existieren spezialisierte Nachschlagewerke zu bestimmten Sachgruppen, vor allem jene zu Personen, Orten/Ortsnamen und Autoren (mit Werkübersicht). Die wichtigsten:

und die entsprechenden ausländischen Verzeichnisse


Wenn Nachschlagen nicht reicht

Wenn sich die gesuchte Einzelinformation in Nachschlagewerken nicht finden lässt, muss man sich mühsam durch den Bestand vorhandenen „Wissens“ hindurcharbeiten. Damit dies keine uferlose Tätigkeit wird, geht die punktuelle Informationsrecherche in eine Form halbsystematischer Recherche über: Auf der Suche nach der gewünschten Erklärung, dem Namen oder Datum durchforstet man jene Textbestände, die am aussichtsreichsten erscheinen, weil sie thematisch, zeitlich oder methodisch nahe stehen. Wenn man sich hierzu aber erst mal im Themenbereich orientieren muss, empfiehlt sich zunächst ein Blick in einführende und Überblick verschaffende Grundlagenwerke, die sog. Handbücher.


Punktuelle Literaturrecherche

Gar nicht so selten kommt es vor, dass man auf der gezielten Suche nach einem bestimmten Werk oder der dazugehörigen Literaturangabe ist. Typischerweise ist dies der Fall, wenn man sich nur ungenau an einen Titel erinnert oder unvollständige bibliographische Angaben vor sich liegen hat – seltener, weil man das (einem völlig unbekannte) Standardwerk zu einem bestimmten Thema braucht.

Der letztere Fall – keine Ahnung vom Titel, aber Thema ist bekannt – ist nur auf eine Art zufriedenstellend zu lösen: durch den Blick in eine einschlägige Bibliographie.

Für die Suche nach vollständigen bibliographischen Angaben hingegen ist das Internet ein hervorragender Rechercheort. Aber Vorsicht! Nicht die Suchmaschine, sondern ein Bibliothekskatalog oder eine Literaturdatenbank sollte hier die erste Anlaufstelle sein. Kann man die so gewonnenen Angaben nicht am Original überprüfen, ist es unabdingbar, diese durch den Vergleich verschiedener Katalogeinträge zu verifizieren – auch ein jeder OPAC besitzt seine eigene Titelaufnahmesystematik, die gerne mal Angaben verkürzt (und so z.B. zweite und folgende Herausgeber weglässt), Reihenabhängigkeiten nicht darstellen kann oder durch Konvention bedingte Zitierweisen ignoriert.

Ist auch in OPACs und Datenbanken nichts zu finden (dies ist häufig bei älteren oder ganz aktuellen Aufsätzen der Fall), kann man seine Suche Google & Co. anvertrauen. Auch hier gilt: Die Ergebnisse sollten unbedingt verifiziert werden: am besten am Original; wenn nicht möglich, dann durch Vergleich verschiedener Angaben.


Überblicks- und Einführungswissen

Mehr als Nachschlagen

Am Anfang der Suche nach systematischem Wissen steht im Allgemeinen die Orientierung: ein erstes Überblicken des Themenfeldes, ein Einarbeiten in die Grundlagen, Strukturen und Problembereiche eines Themas.

Bevor man sich zu diesem Zweck auf zusammenhängende Stoffüberblicke und Einführungen in Buchform stürzt, sollte man berücksichtigen, dass zu vielen Themen die großen Nachschlagewerke (z.B. LexMA, TRE) oft eine erste, noch ``überblickendere´´ Orientierung bieten. Zudem finden sich hier auch – im Gegensatz zu den Handbüchern mit der Nennung wichtigster Literatur zum Thema – knappe Angaben aller wichtigsten Literatur.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass viele dieser Standardwerke über einen großen Zeitraum entstehen, die frühen Teile daher schon ziemlich alt – und im Falle von Literaturhinweisen und Forschungsstand sogar schon veraltet – sein können.


Einführungen, Überblicke und Handbücher

Eine typische Literatursorte der Geschichtswissenschaft ist das sog. Handbuch. Was viele Studierende verwirrt: Der Begriff ist rein funktionaler Natur; Historiker bezeichnen damit eine bestimmte Art von Werken: Er umfasst einerseits problemorientierte Einführungen in, andererseits zusammenhängende Überblicke über ein Thema oder einen Themenbereich. Die Verwendung des Begriffs ist dabei nicht einheitlich: Manch extrem spezialisiertes Werk nennt sich im Titel ``Handbuch´´, viele Einführungen und Überblicke tragen diesen jedoch Titel nicht. Weiterhin muss ein Handbuch keinesfalls aus nur einem Band bestehen, und schon gar nicht muss es handlich sein. Das Handbuch muss jedoch in seiner Konzeption abgeschlossen sein – Reihen von Einführungstiteln stellen also kein ``Handbuch´´ dar; einige haben jedoch eine handbuchartige (d.h. abgeschlossene) Konzeption.

Allgemeine Überblicke

Viele renommierte Titel für den nicht-akademischen Buchmarkt sind hervorragend als Handbücher zu gebrauchen, so z.B. die folgenden, meist ereignisgeschichtlich orientierten Werke:

Reihen zur Einführung

Einige herausragende Reihen mit Einführungswerken (wobei jede Einführung gewissermaßen ein Handbuch darstellt) sind:

Handbücher und Einführungen zu spezifischen Themen


Forschungsdiskussion

Wer nicht am gültigen Forschungsstand, sondern an den Problemfeldern der aktuellen Forschungsdiskussion interessiert ist, muss sich im Allgemeinen anders orientieren. Wohl bieten viele Handbücher und Einführungen in ihren Einleitungen dazu das eine oder andere an Informationen – für gewöhnlich aber nicht erschöpfend und möglicherweise auch nur auf bestimmte, für den Autor relevante Aspekte beschränkt.

Hilfreicher sind hier die Titel aus OGG und EdG: Diese Reihen widmen in ihrer Systematik ein Drittel jedes Werkes der Forschungsdiskussion.

Weniger systematisch, aber inzwischen recht erfolgversprechend, ist das Durcharbeiten der Selbstdarstellungen aktueller Forschungsprojekte – fast alle sind im Internet vertreten. Hier wird oft die Entstehung des Projekts aus der aktuellen Forschungsdebatte, aus Desideraten oder Problembereichen der Forschung hergeleitet. Außerdem finden sich dort häufig Bibliographien oder Publikationslisten, die einen Aufschluss über die Themen der aktuellen Forschungsarbeit liefern. (Ein Beispiel: Felicitas Schmieder (früher Frankfurt) hat in Hagen eine Professur für „Geschichte und Gegenwart Alteuropas“ inne; auf ihrer Website findet sich ein Lehrprofil, welches über das Hagener Konzept von „Alteuropa“ Auskunft gibt (http://www.fernuni-hagen.de/geschichte/lg1/portrait.html) )


Halbsystematische Informationsbeschaffung ("Schneeballsystem")

Benötigt man mehr als nur einen Überblick über ein Thema (z.B. für ein Referat oder eine Hausarbeit), besteht der nächste Schritt in einer systematischen Erarbeitung des (meist abgegrenzten) Themenbereichs. Eine solche ``systematische Erarbeitung´´ ist stets an die systematische Recherche von Literatur gebunden – der Grad an ``Systematisierung´´ ist jedoch variabel: je höher der Anspruch der hinter der Recherche liegenden Aufgabe (Referat - Hausarbeit - Magister-/Examensarbeit - Dissertation), desto wichtiger die möglichst umfassende, bei Dissertationen gar annähernd vollständige Erfassung der Literatur zum Thema. Das hat nicht zuletzt mit der Notwendigkeit der Verortung eigener wissenschaftlicher Arbeit im Kontext bereits getaner Forschung zu tun. Bei Referat und Hausarbeit meint ``umfassend´´: alle wichtigen und einschlägigen Werke. Das Wissen darüber, was wichtig und einschlägig ist, muss man sich natürlich auch erst erarbeiten. Für die Bedürfnisse von Referat und Hausarbeit langt üblicherweise ein Verfahren ``halbsystematischer´´ Recherche, das als ``Schneeballsystem´´ bekannt ist.

Die Suche beginnt hier im Prinzip wie jene für die punktuelle Information, wird jedoch bereits mit Blick auf Weiterentwicklung betrieben: Man startet also nicht unbedingt bei allgemeinen, sondern gleich bei fachspezifischen Nachschlagewerken und Handbüchern, die weiterführende Literaturangaben bieten. Mit diesen arbeitet man sich von einer Literaturempfehlung zur nächsten weiter, wobei die Menge der so gewonnen Literaturangaben exponentiell wächst: Das ist das Schneeballsystem.

Sehr schnell stellt man fest, dass man nicht allen Literaturempfehlungen folgen und schon gar nicht alle Literatur lesen kann – man wird also dazu gezwungen, für die eigene Thematik ``aussichtsreichere´´ von weniger aussichtsreichen Literaturempfehlungen zu scheiden. Üblicherweise werden dabei moderne Titel gegenüber älteren bevorzugt – selbst wenn die neueren Arbeiten keinesfalls automatisch besser sein müssen, bieten sie doch fast immer die aktuelleren Literaturhinweise zum Weiterlesen. D.h. natürlich nicht, dass alle älteren Titel von vornherein zu vernachlässigen sind: Für viele Themen bleiben bestimmte ältere Arbeiten als theoretische Grundlagenwerke, akribische Detailsammlungen oder Ausgangspunkte einer Forschungsdiskussion für die heutige Arbeit relevant.

Abschließend sei jedoch gewarnt, dass das ``Schneeballsystem´´ nichts weiter als eine Arbeitsmethode darstellt, um sich in einem Überangebot von Literatur schnell zu orientieren. In jedem Recherchefall ist nach Fragestellung und Materiallage zu entscheiden, ob eine systematische Suche nicht von vornherein effektiver wäre – das ``System´´ ersetzt also niemals das eigenständige Denken!


Systematische Informationsbeschaffung

Das sog. Schneeballsystem erzeugt für gewöhnlich schnell gute Ergebnisse, für eine wirklich systematische Recherche ist es auf Dauer jedoch nicht effektiv genug. Möchte oder muss man tatsächlich umfassend oder vollständig recherchieren, braucht man deutlich mehr als den einen Einstiegspunkt des Schneeballsystems: Man benötigt Überblick, man benötigt Vollständigkeit, kurz gesagt: man benötigt bibliographische Vorarbeiten.

Zum Glück gibt es für den Historiker eine große Zahl bibliographischer Hilfsmittel. Für den einfachen Einstieg kann schon das ``Begleitheft zum Proseminar´´ herhalten. Darüber hinaus sind vor allem

Gold wert. Während der Baumgart einen deutlich größeren Umfang hat (und über das Mittelalter hinausgeht), bietet der bibliographische Teil des Goetz’ für den Einsteiger hilfreiche Kommentierungen zu den Literaturangaben. Entscheidend ist jedoch nicht, wie viele Literaturtitel hier insgesamt versammelt sind: In diesen beiden Verzeichnissen findet man alle wichtigen und eine Reihe weniger wichtiger Bibliographien verzeichnet, die man braucht: umfangreiche Titelsammlungen und Datenbanken zu verschiedenen Literatursorten ebenso wie Spezialbibliographien mit Literatur zu bestimmten Epochen, Forschungsbereichen und Einzelthemen. Daneben bieten beide Werke vor allem aber auch Zugriff zu den überaus wichtigen Quellenkunden und Quellenverzeichnissen – auch das ist aber ein anderes Thema.

Exkurs zur Internetrecherche, Teil A: Informationen

Warum muss man überhaupt im Internet recherchieren?

Es gibt eine Reihe von Fällen, in denen historische Handbücher oder gedruckte Nachschlagewerke nur unbefriedigende Ergebnisse liefern. Dies gilt für viele der aktuelle(re)n Forschungsansätze und -diskussionen (wie die Recherchebeispiele zu den Begriffen „Achsenzeit“, „Sattelzeit“ und „Alteuropa“ zeigen), erst recht aber für brandaktuelle Themen oder Fragestellungen. Mit der Frage der Aktualität verbunden ist auch der Bereich des Diskussionswürdigen: Debatten aus geschichtswissenschaftlichen Grenzbereichen oder gar anderen Disziplinen sowie populär- oder pseudohistorische Theorien (z.B. die Gralstheorien von Lincoln/Baigent/Leigh oder die Illig-Debatte) finden sich aus verschiedenen Gründen (thematische Verortung, Ergebnisoffenheit, mangelnde Seriosität) nicht in den üblichen gedruckten Recherchemitteln.

Ein weiterer Aspekt: Für manche Suchanfrage, die auch mithilfe gedruckter Nachschlagewerke zu beantworten wäre, ist ein Ergebnis leichter und bequemer über das Internet zu erhalten – dies insbesondere bei relativ einfach oder auch außerwissenschaftlich verwendeten Begriffen. Hier ist jedoch die wissenschaftliche Sorgfaltspflicht zu beachten: Wer sich vorschnell mit einem leichten Fund zufrieden gibt, übersieht beispielsweise die drei unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Begriffs „Dark Ages“ (Umgangssprachlich: Mittelalter – populärwissenschaftlich: Frühmittelalter – fachwissenschaftlich: quellenarme Periode (v.a. für Griechenland 12.-8. Jh. v. Chr. und die britischen Inseln im 5./6. Jh. n. Chr.) – von weiteren Bedeutungsebenen des Begriffs (z.B. für eine Phase der us-amerikanischen Comicindustrie) ganz zu schweigen!)

In all diesen Fällen bietet das Internet geeignete Ressourcen und Recherchewerkzeuge mit

  • stets aktualisierten Nachschlagewerken (wie Brockhaus online oder Wikipedia),
  • Selbstdarstellungen wissenschaftlicher Projekte und Arbeitsgruppen
  • und häufig auch der Möglichkeit zur Volltextsuche über einen Datenbestand (Diese Möglichkeit bieten natürlich auch CD-ROM-Ausgaben).

Die Schlussfolgerung aus diesen Beobachtungen: Das Internet ist für den wissenschaftlichen Gebrauch nicht per se ein minderwertiges Rechercheinstrument, sondern eben ein anderes. Es basiert auf einem anderen Medium, mit eigenen Inhalten und eigenen Regeln. Wichtig ist es, diese Regeln zu kennen, um das Internet auch ernsthaft und verlässlich für den wissenschaftlichen Gebrauch dienstbar zu machen – das ist jedoch ein eigenes Thema, das hier nicht behandelt werden kann.

Mit einem Studentenmythos sollte aber gleich aufgeräumt werden: dass man nämlich im Internet alles „Wissen“ fände, wenn man nur wisse, wo zu suchen. Tatsache ist, dass nur ein absoluter Bruchteil der gedruckt vorhandenen Informationen im Internet digitalisiert vorliegt, dass wiederum nur ein geringer Teil dieses Bestands im Volltext durchsucht werden kann. Tatsache ist ebenso, dass das Internet auch auf absehbare Zeit die „Buchrecherche“ nicht wird ersetzen können – daran ändert sich auch nichts durch die massenhafte Digitalisierung von wissenschaftlichen Buchbeständen, die momentan stattfindet:

Erstens können Suchmaschinen nämlich auf die digitalisierten Bestände meist nur sehr unzureichend zugreifen – eine Situation, die sich bestenfalls auf technischer Ebene verbessern lässt, die rechtlichen Einschränkungen sind jedoch so nicht zu überwinden. Zweitens wird das, was die „Informationsstruktur“ des Mediums Fachbuch ausmacht, bei der Digitalisierung nicht automatisch mittransportiert – angefangen bei der einfachen Differenzierung grundlegender Fachbuch-Gruppen wie Lexika, Handbücher, Einführungen, Monographien etc. über das System der Erschließung durch Register, Indices usw. bis hin zu den ergonomischen und psychologischen Vorteilen eines in unter einer Sekunde „bootenden“, ohne Strom und unter beinahe allen Umweltbedingungen zu betreibenden Mediums.

Exkurs zur Internetrecherche, Teil B: Literatur

Das Internet stellt sich immer deutlicher als unentbehrliches Hilfsmittel bei der professionellen Literaturrecherche heraus:

  • Online-Bibliothekskataloge (OPACs u.a.),
  • Bibliographien und Literatursammlungen jeder Art
  • sowie v.a. [vielfach kommerzielle] Datenbanken

bieten ein beinahe unerschöpfliches, vor allem aber sehr zuverlässiges Recherchefeld für die systematische Literaturbeschaffung.

Durch die einfache, geradezu mühelose Verfügbarkeit einer großen Zahl von Literaturangaben – ein Suchbegriff, Dutzende von „Treffern“ – werden Einsteiger jedoch zu einer vorschnellen Verwendung des Internets als Rechercheinstrument verleitet. Davon ist unbedingt abzuraten: Für punktuelle Informationsbedürfnisse sind die entsprechenden Nachschlagewerke (in der Bibliothek oder im Internet) zu benutzen; eine halbsystematische oder systematische Recherche sollte sich niemals auf die Suchmaschinen-Lotterie stützen.