Chroniken
Charakteristika
- gehören zu den erzählenden Quellen, genauer: den historiographischen Quellen,
- gelten als Art Weiterentwicklung der Annalen (mit denen sie einiges gemein haben), besitzen aber auch eigenständige Ursprünge,
- sind meist zusammenhängend von einem Autor (oder mehreren Autoren nacheinander) verfaßt,
- bieten nicht nur Fakten, sondern versuchen, deren Zusammenhänge zu erklären,
- legen Wert auf sprachliche Gestaltung,
- behalten zwar oft das annalistische Schema (Organisation nach Jahreseinträgen) bei; viele Chroniken sind jedoch auch stattdessen in „Bücher“ und „Kapitel“ eingeteilt und manchmal sogar mit einem Inhaltsverzeichnis versehen.
Wichtig zu beachten: Chroniken sind häufig Auftragswerke, die mit bestimmten (und oft bestimmbaren) Absichten verfaßt wurden.
→ Der formale Begriff „Chronik“ steht (als Sammelbegriff) tatsächlich für eine Vielzahl inhaltlicher Typen. (Goetz, Proseminar, 111)
Inhaltliche Gliederung
- nach dem Gegenstand (z.B. in Reichsgeschichte und Kirchengeschichte)
- nach einer Institution (z.B. Hof-, Bistums-, Kloster-, Stadtchronistik)
- nach dem Berichtshorizont (Welt-, Reichs-, Regional-, Lokalchronik)
Weltchroniken
- auch Universalchroniken
- ausgreifender Berichtszeitraum: Versuch die gesamte Geschichte von den Anfängen (d.h. von Schöpfung, Adam u. Eva oder Christi Geburt) bis zur Gegenwart erfassen
- umfassender Inhalt: Behandeln sowohl Kirchen- wie Reichsgeschichte
- räumlicher Horizont: Beginnen zwar meist sehr weit (beschreiben „Menschheitsgeschichte“, sind hier aber auf andere Quellen angewiesen), schrumpfen aber im zeitgenössischen Teil meist zu Reichschroniken; einige enden gar recht kleinteilig (oft vor der Haustür des Verfassers)
- heilsgeschichtliche Ausrichtung: Menschliche Geschichte wird als Geschehen im göttlichen Heilsplan verstanden.
Hier setzt der für den Historiker wichtige Umstand an, daß viele Weltchroniken die Geschichte zu ordnen versuchen, indem sie auf meist biblisch motivierte, im Mittelalter bedeutsame Systeme der Epocheneinteilung zurückgreifen, z.B.:
- die sechs Weltalter (nach den sechs Schöpfungstagen zu je 1000 Jahren oder nach den sechs menschlichen Lebensaltern)
- die vier Weltreiche (nach dem Buch Daniel): Babylonier, Perser, Griechen, Römer [wichtig für das lateinische Kaisertum, Stichwort: Translatio imperii]
Beispiele wichtiger (Welt-)Chroniken:
- Weltchronik des Eusebius von Cäsarea (bis 325), von Kirchenvater Hieronymus ins Lateinische übersetzt und bis 378 weitergeführt
- Weltchronik des Beda Venerabilis (†735)
- Weltchronik des Regino von Prüm (†915)
- Otto von Freising (†1158), Chronica sive historia de duabus civitatibus („Geschichte der zwei Reiche“ oder auch „Weltchronik des O. v. F.“)
Weitere wichtige Typen von Chroniken:
Reichschroniken |
|
Volkschroniken
origines gentium |
|
Bistums- und Klosterchroniken |
|
Genealogien |
|
Hauschroniken |
|
Landeschroniken |
|
Stadtchroniken |
|
Kriegs- und Kreuzzugschroniken |
|
Eine Besonderheit stellen die sog. Gesta dar. Dieser (im modernen Gebrauch eher formal zu verstehende) Begriff bezeichnet Chroniken einer Institution (z.B. Königtum, Bistum, Kloster), die im wesentlichen als Abfolge von Lebensbeschreibungen der einzelnen Amtsträger (Könige, Bischöfe, Äbte) ausgefertigt sind (lat. gesta = Taten).