"Der Streit der Fakultäten: Die Linken gegen die Rechten – oder doch etwas mehr? Anmerkungen zur Soziologie in Frankfurt"

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Vortrag Clemens Albrecht - Auszüge


Zunächst die Grundlage des Konfliktes, den wir hier behandeln, nämlich der Kernkonflikt ist klar. Es geht um die Frage, wo ist die Soziologie beheimatet. Ist sie am Institut für Sozialforschung beheimatet, oder ist sie an der Wiso- Fakultät beheimatet. Das ist die Grundlage des Konfliktes. Es gibt sozusagen zwei Soziologien und wer hat dann die Oberhoheit über die Frankfurter Soziologie. Diese Grundlage wird ende der 30er Jahre gelegt und zwar durch eine schlicht und einfach historisch kontingente Entscheidung. Diese kontingente Entscheidung fällt in einem Club von drei engen Freunden, und die heißen Max Horkheimer, Felix Weil und Friedrich Pollock.

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Und nun passiert folgendes, der erste Direktor des Instituts für Sozialforschung, Grünberg, bekommt einen Schlaganfall, 1928, er wird arbeitsunfähig, lebt noch lange Jahre, stirbt erst in den 40er Jahren. Und jetzt gibt es diese drei jungen Leute, die überlegen, was sie mit unserem, so sagen sie immer, Institut weitermachen. Warum war es unser Institut, wie die drei sagen. Erstens, weil Felix Weil derjenige war, der das ganze initiiert hat und sein Vater hat das Geld gegeben und zum zweiten, wie kann man sagen war es das intellektuelle Kernprojekt dieser kleinen Gruppe. Bei denen Grünberg und die erste Phase so etwas wie eine vorgeschobene Institutspolitik war, auf die man dann später aufgesprungen ist. Jetzt ging es zwischen diesen dreien um die entscheidende Frage, wer kann den Laden übernehmen und aufgrund der Tatsache, dass nur einer habilitiert war und soweit war und aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten mit Sicherheit der einzige war der dafür in Frage kam, hat man sich dafür entschieden, dass das Max Horkheimer macht. Er sollte also den Direktorenposten übernehmen, er war allerdings in Philosophie habilitiert. Hatte von Soziologie, und von der Wissenschaft, aus der sich die Soziologie heraus entwickelt hatte, nämlich der Nationalökonomie, überhaupt keine Ahnung. Das ist die Grundlage des Konfliktes.

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In dem Moment, in dem nun Horkheimer Direktor wurde, des IFS, war nun die Frage, wo wird nun dieser Lehrstuhl platziert. Mit Grünberg konnte dieser Lehrstuhl an der Wiso- Fakultät platziert werden. Mit Horkheimer nicht mehr, weil jetzt eine zweite Konstellation hinzukommt, gleichzeitig mit Horkheimer wird Karl Mannheim nach Frankfurt berufen. Und nun geht es im Senat um die zentrale Frage, wie heißt Horkheimers Ordinariat. Horkheimer selbst möchte die Bezeichnung für Philosophie und Soziologie. Mannheim wehrt sich eminent dagegen und mit Mannheim andere Mitglieder der Wiso-Fakultät, Oppenheimer mit dem Argument, da möchte sich jemand die Soziologie aneignen, der von Soziologie eigentlich überhaupt keine Ahnung hat. Und darum schlagen sie als Lehrstuhlbezeichnung Sozialphilosophie vor. Horkheimers Lehrstuhl heißt also Sozialphilosophie und er wird an der philosophischen Fakultät eingerichtet, nicht an der Wiso-Fakultät. Und damit haben wir aus historisch kontingenten Gründen die Anlage eines Schismas, die sich strukturell sozusagen fortschleppt und wie das häufig in Institutionen ist, auch ohne große ideologischen Gegensätzen zwischen den Personen, da müssen nicht die einen Nazis sein und die anderen keine Nazis, laufend Streitpunkte konstruiert. Es entstehen laufend strukturelle Probleme, die nun irgendwie geklärt werden müssen, das ist der eigentliche Ursache dieses Dauerkonfliktes.