"Die franzoesische Emigration nach 1789"

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Nina Rubinstein “Die französische Emigration nach 1978. Ein Beitrag zur politischen Emigration“

Die Aufgaben, die sich Nina Rubinstein in ihrer Arbeit stellt, sind zum einen, die Struktur der sozialen Zusammensetzung der Emigration zu zeigen zum anderen und „hier liegt der Kernpunkt meiner Arbeit, die sich die Aufgabe stellt, die Ursachen und Gründe, die Art und Weise aufzuzeigen, in der aus einem Flüchtling, der zwar gewisse emigrantische Züge aufweist- das dauernde Auf-dem-Sprung-sein, der Glaube an baldige Rückkehr und an die Unmöglichkeit einer längeren Dauer der Revolution-, der aber noch in seinen alten Kategorien denkt, dessen Bewusstsein ungebrochen ist, ein typischer Emigrant wird.“(134)

Sie unterscheidet drei Grundtypen der Emigranten: Es gibt die Emigration „der aus wirtschaftlichen Gründen Ausgewandernden, der aus politischen Gründen Ausgewandernden und der aus religiosen Gründen Ausgewandernden“ und sie richtet ihr Forschungsinteresse im Speziellen auf die politische Emigration nach geglückten Revolutionen, um diesen Typus des Emigranten den anderen gegenüberzustellen und „die gesellschaftlichen Bedingungen, die dazu führen, die Veränderungen der materiellen Verhältnisse, die Rückwirkungen auf die Ideologie, die Entwicklung des „Emigrantenbewusstseins“ soziologisch zu erforschen. Bei der Herausbildung von allen Emigrantengruppen spielen ökonomische Gründe eine wichtige, aber keine prägende Rolle.

Nina Rubinstein setzt die Analyse der sozialen Konstruierung der Emigranten-Gesellschaft an den labilen Verhältnissen des Ancien regime an, die zu den gesellschaftlichen Umstrukturierungen fuehrten, aus denen die politische Emigration hervorging. In der sozialen Dynamik des wechselnden gesellschaftlichen Auf- und Abstiegs vesucht sie, wenn auch nur summarisch, wie sie es selbst formuliert, die Mechanismen dieser gesellschaftlichen Dynamik zu bestimmen und als Prinzip der Zusammensetzung der jeweiligen Emigrantentypen auszuweisen. (besser ausformulieren!) „Dafür bot jetzt der Reichtum eine neue Aufstiegschance. Das mondäne und sehr kostspielige Leben am Hof brachte den alten Hofadel in immer näheren Kontakt mit den reichen financiers. Es entwickelte sich zwischen ihnen ein gesellschaftlicher Verkehr. Das Geld überwand und vermischte allmählich gewisse Klassenunterschiede. Durch Heirat, Kauf von Gütern oder Adoption entstand der Geldadel.“

Nina Rubinstein macht in ihrer Arbeit statistische Angaben über die französische Bevölkerung, um die Emigartion als Folgeerscheinung jeder Revolution soziologisch analysiern zu koennen. Aber da „statistische Erhebungen im 18 Jahrhundert in Frankreich kaum bestanden“ , „alle Angaben mehr oder weniger auf einer Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhen“ und damit sie sich „die soziale Bedeutung dieser Zahlen vor Augen“ führen kann, schätzt sie den verhältnismaessigen Teil des Adels und des Bürgertums in der französichen Emigration. Im Anschluss zeigt sie, dass aus der Gesamtbevölkerung Frankreichs mehr Menschen vom Adel als vom Bürgertum in die Emigration gingen, aber der bürgerlichen Teil in der Emigration grösser als der adlige ist. Die Geistlichkeit bildete auch einen grossen Kern der Emigration. Da sich Nina Rubinstein in ihrer Arbeit fuer die (hier die eigene Interpretation ALS eigene Interpretation kennzeichnen!) soziale Zusammensetzung der Emigration nach einer gesamtgesellschaftlichen Umbruchsphase interessiert, konzentriert sie sich in ihrer weiteren Analyse auf die adlige Emigration.

Anhand von Korrespondenzen, die der Adel im Exil fuehrte, zeigt sie Widerspruche zum einen zwischen den Resultaten der chronologischen Geschichtsschreibung und den Verhaeltnissen, wie sie in den Korrespondenzen dargestellt werden und zum anderen zwischen den Geschichtschreibern selbst. So besteht zum Beispiel „hier [...] ein Widerspruch zwischen dem Tagebuch des Fürsten von Conde und dem Geschichtsschreiber des Condeschen Heeres...“. Bei der Untersuchung von politischen Geschehenissen, die ihre Ursache in der Emigration haben, stoesst Nina Rubinstein oft auf entgegengesetzte Meinungen.“Manche Geschichtsschreiber sind der Ansicht, dass dieses Manifest den Anlass zu den Erreignissen des 10. August ...“ist.(109) „Dagegen schreibt ein anonymer „Augenzeige“ , der freilich anti-royalistisch und gegen die Emigration eingestellt war, die gleichen Greueltaten gerade den Emigranten zu.“(111) Der dritte Teil des ersten Kapitels, „Historisch-chronologischer Ablauf der franzoesischen Emigration“, bertrachtet schliesslich das Verhaeltnis von äusseren Bedingungen zu den persoenlichen Erlebnissen der Emigranten, das seinen Ausdruck in Exzessen, militaerischen Konflikten, Geselligkeit und Dichtertum findet.

Im zweiten Teil ihrer Arbeit versucht Nina Rubinstein das Phaenomen der Emigration begrifflich zu fassen, indem sie zeigt, dass: „trotz dieser Unterscheidungsmomente (welche Unterscheidungsmomente?) bestimmte, bis zu einem gewissen Grade davon unabhängige, typische Züge , die aus der Tatsache, aus dem soziologischen Faktum Emigration erwachsen. Insofern sind sie nicht zeitgebunden, obgleich sie natürlich durch die geschichtliche und soziale Struktur der Zeit wesentlich beeinflusst werden“(134)“ Diese allgemeingültigen Züge der Emigration am Beispiel der französischen Emigration herauszuarbeiten, sie in Einzelnen Fällen durch eine Konfrontierung mit der russischen Emigration zu bekräftigen, zu erweitern oder zu bestätigen, ist die Aufgabe des zweiten Teils dieser Arbeit.“ In ihrer Dissertation stellt Nina Rubinstein drei typische Zuege der Emigration fest: Die Einstellung auf Dauer,Umstellung auf Berufstaetigkeit und gesellige und gesellschaftliche Kontakte. Sie schildert die Entwicklung der Emigranten-Ideologie zum Emigranten-Bewusstsein mit diesen drei Merkmalen. Der Emigrant stellt sich darauf ein, im Gastland auf Dauer zu bleiben und somit veraendert sich auch seine Berufseinstellung und sein soziales Leben.

Die Herausarbeitung dieser drei Zuege der Emigration ist die eigentliche Aufgabe der Dissertation von Nina Rubinstein. „Ich hoffe, mit dieser Arbeit ueber die franzoesische Emigration nach 1789 gezeigt zu haben, dass es sich bei der Emigration nicht um eine bloss historische Sondererscheinung handelt, sondern dass sie allgemein emigrantische Zuege aufweist, die auch bei anderen Emigrationen festzustellen sind -Emigrationen, die es geben wird, solange die geschichtliche Entwicklung Revolutionen, also gewaltsame Umwaeltzungen bestehender Zustaende hervorbingen wird.“(195)