Salomon Delatours wissenschaftliche Arbeiten

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Das Studium begann er in München mit Kunstgeschichte, orientierte sich dann aber neu und studierte Naturwissenschaften und Physiologie in Heidelberg. Heidelberg war zu dieser Zeit ein „Schnittpunkt intellektueller Kreise“. <bibref f="sozfra.bib">Barboza:2008</bibref> Über die Jahre Hinweg waren in Heidelberg unter anderem auch Norbert Elias, Karl Mannheim, Georg von Lukács und viele weitere anzutreffen. Es ist allerdings nicht ersichtlich ob sich Salomon-Delatour schon an einem der Kreise beteiligte, die in Heidelberg stattfanden. So ist es auch nicht leicht zu beurteilen, ob er schon während des Studiums erste Kontakte zu anderen Intellektuellen knüpfen konnte.

Die erste Arbeit, mit der er in Erscheinung trat war seine philosophische Promotion bei Georg Simmel 1916. Er behandelte die „theologica deutsch“ aus dem 15. Jahrhundert, nachdem er von Simmel davon abgebracht wurde die gesamte deutsche Mystik darzustellen. Es handelte sich „um eine Anwendung von Simmels Lebensphilosophie und Religionssoziologie auf die Philosophie des Mittelalters.“ <bibref f="sozfra.bib">Barboza:2008</bibref> Salomon-Delatour sah die Mystik im Gegensatz zum Glauben als aktivierende Kraft wobei der Glaube nur eine passive Rezeption hervor bringt. Schon in diesem Werk spielte für Salomon-Delatour die Einheit eine wichtige Rolle. Auch wenn er sich bewusst war, dass die Einheit, wenn sie erzwungen wird, eher zu einer Entfremdung führt. Es gelang ihm aber nicht seine vorhandenen Thesen richtig in Szene zu setzen, sondern sie gingen in der Fülle des Materials unter. <bibref f="sozfra.bib">Barboza:2008</bibref>

1920 erschien dann ein Aufsatz mit dem Titel „Osten und Westen“. Hier schlug Salomon-Delatour eine Brücke der Einheitsvorstellung seiner Dissertation zur Politik. Eine reale Einheit der Menschen sei nur denkbar, wenn sich die zwei großen Kulturwelten, Osten und Westen, auflösten. Er sah den Osten als Vorbild für den Westen, da dieser die „sozial- und wirtschaftsethischen Fonds“ besaß, ohne die eine Gemeinschaft nicht existieren könne. <bibref f="sozfra.bib">Barboza:2008</bibref> Die gemeinschaftsbildende Kraft war, laut Salomon-Delatour, die Religion und er betrachtete eine Universalreligion als Lösung. Es ist zu diesem Zeitpunkt also noch kein Bekenntnis zum Judentum zu sehen, was sich allerdings schon kurze Zeit später an der Mitarbeit an Martin Bubers Zeitschrift „Der Jude“ beobachten lies. Hier war er ab 1920 als Redakteur im Bereich Soziologie tätig. <bibref f="sozfra.bib">Belitz:2008</bibref> Er setzte sich mit dem Judentum auseinander, wenn auch oft kritisch. So warf er zum Beispiel dem Judentum Abgrenzung von der restlichen Gesellschaft vor. <bibref f="sozfra.bib">Barboza:2008</bibref> Die Zeit der Weimarer Republik war für das Judentum eine Blütezeit. <bibref f="sozfra.bib">Meyer:2008b</bibref> Durch die Liberalität der Regierung, die Gleichstellung in allen gesellschaftlichen Bereichen versprach, konnten sich die Juden mit der Weimarer Republik identifizieren. Zugleich kam aber ein wachsender Antisemitismus von Seiten der Bevölkerung auf. Das jüdische Leben wurde in allen Bereichen ausgeprägter und so erweiterte sich auch die jüdische Teilnahme an kulturellen Aktivitäten. Den Juden gelang es ihre Identität als Juden und zugleich als Angehörige der deutschen Kultur zu stärken. Vielleicht war dieses neue jüdische Selbstbewusstsein auch ein Anreiz für Salomon-Delatour sich damit auseinander zu setzen.

Salomon-Delatour versuchte eine Distanz zum autoritären Marxismus zu schaffen, verzichtete dabei aber nicht auf die ethischen und politischen Vorzüge des Sozialismus. Vor seiner Habilitation übersetzte Salomon-Delatour einige französische Frühsozialisten und gab sie heraus. So zum Beispiel Saint Simon und Proudhon sowie den deutschen Lorenz von Stein. Sein Frankreichfokus ist sicherlich auch auf seine teils französischen Wurzeln zurückzuführen. Salomon-Delatour war bei seiner Herausgeberschaft aber nicht nur auf die Frühsozialisten beschränkt. Auch konservative und reaktionäre Autoren wurden von ihm veröffentlicht und meist auch mit einer Einleitung von Salomon-Delatour versehen, in denen er auch mal kritisch auf die folgenden Texte einging. <bibref f="sozfra.bib">Barboza:2008</bibref>

Sein wohl wichtigstes und einflussreichstes schriftliches Projekt waren sicherlich die „Jahrbücher für Soziologie“, von denen 1925-1927 jährlich ein Band erschienen ist, auf die ich später genauer eingehen werde.

1930 erhielt Salomon-Delatour dann einen eigenen Lehrauftrag „Französische Staats- und Gesellschaftskunde“. Hierfür kam ihm sein langjähriges Engagement für französische Veröffentlichungen mit Sicherheit zu Gute, nachdem es ihm nicht vergönnt war die Nachfolge Oppenheimers anzutreten. Ein weiterer Grund für die verpasste Nachfolge mag gewesen sein, dass es einigen Kollegen an der Frankfurter Universität wohl ein Dorn im Auge war, dass Salomon-Delatour soviel außeruniversitäres Engagement zeigte. So wird er sogar in einem Brief von Oppenheimer ermahnt, dass er wohl nicht hart genug an der Universität gearbeitet habe und somit einige Herren, die nicht näher genannt werden, verärgert habe. <bibref f="sozfra.bib">Belitz:2008</bibref>

Sein Schwerpunkt verlagerte sich aber trotz allem ab 1930 weg von der Universität, was sich auch auf die verpasste Nachfolge des Lehrstuhls Oppenheimers zurückführen lässt. Er hielt von da an Seminare und Vorlesungen zur Staatslehre an Beamtenakademien in Frankfurt und Saarbrücken. <bibref f="sozfra.bib">Barboza:2008</bibref>

Ein weiterer Baustein in seinem Bestreben nach einer wissenschaftlichen Einheit waren die Davoser Hochschulkurse. Diese zweiwöchigen Kurse waren außeruniversitäre Veranstaltungen an denen sich viele namenhafte Professoren und auch Studenten beteiligten. Auf die Davoser Hochschulkurse werde ich auch noch ausführlich in einem Abschnitt dieser Arbeit eingehen.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten trieb Salomon-Delatour dann zur Flucht aus Deutschland. Nach einer kürzeren Station in Italien gelang es ihm nach Frankreich, genauer Paris, zu flüchten. Dort schaffte er es schnell Fuß zu fassen. Er war zum Beispiel wieder als Herausgeber tätig, diesmal für Zeitschriften. Zum einen die „Information Economoique“ und später „Ordo“. Zudem erhielt er eine Anstellung an der Pariser Sorbonne Universität. Um akademisch in Frankreich weiter zu kommen, fehlte ihm aber eine Hauptarbeit – thése – an der er auch arbeitete. Sie sollte sich mit dem Kathedersozialismus auseinander setzen, wie Benjamin 1937 an Fritz Lieb schrieb. Zu einer Vollendung kam es aber durch die Invasion der Deutschen nie. Er musste weiter flüchten und schaffte es 1941 in die USA zu reisen.


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