Siegfried Kracauer-Ernst Bloch: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Im Mai 1920 schreibt Siegfried Kracauer erstmals an Ernst Bloch und schickt ihm seinen Aufsatz über „Nietzsche und Dostojewski“. Am 27.3.1922 erschien eine kritisierende Rezension von Kracauer über Blochs Thomas Münzer in der FZ, woraufhin Bloch eine Essaysammlung Kracauers stark kritisierte und auch vor persönlichen Beleidigungen nicht zurück schrak; diese Auseinandersetzung sollte eine scharfe Kontroverse zwischen beiden zur Folge haben. | + | Im Mai 1920 schreibt Siegfried Kracauer erstmals an Ernst Bloch und schickt ihm seinen Aufsatz über „Nietzsche und Dostojewski“. |
+ | Am 27.3.1922 erschien eine kritisierende Rezension von Kracauer über Blochs Thomas Münzer in der FZ, woraufhin Bloch eine Essaysammlung Kracauers stark kritisierte und auch vor persönlichen Beleidigungen nicht zurück schrak; diese Auseinandersetzung sollte eine scharfe Kontroverse zwischen beiden zur Folge haben. | ||
Ab dem Frühjahr 1928 verschaffte Kracauer ihm eine freie Mitarbeit bei der FZ. Im selben Jahr noch gehen die ersten sieben Kapitel von Kracauers Roman „Ginster“, an Bloch nach Berlin, wo dieser sie vor der Publikation lesen soll. Kurz darauf folgt auch schon die Antwort Blochs, die voller Bewunderung, Respekt aber auch einzelnen Korrekturvorschlägen ist. | Ab dem Frühjahr 1928 verschaffte Kracauer ihm eine freie Mitarbeit bei der FZ. Im selben Jahr noch gehen die ersten sieben Kapitel von Kracauers Roman „Ginster“, an Bloch nach Berlin, wo dieser sie vor der Publikation lesen soll. Kurz darauf folgt auch schon die Antwort Blochs, die voller Bewunderung, Respekt aber auch einzelnen Korrekturvorschlägen ist. | ||
Im April 1931 scheint die theoretische und politische Auseinandersetzung zwischen beiden zu beginnen. Bloch schreibt Kracauer in einem Brief vom 29.April 1931 vorwurfsvoll, er würde resignierend alles hinzunehmen: ''„Der Mann, der die Kultur gegen die Barbaren verteidigen will (...) ist nicht mehr ganz der Liebhaber des zerfressensten Marseille, des Films (...) der Improvisation. Der Mann, der noch in den Angestellten die ‚Flucht vor der Revolution’ sah ist nicht ganz derselbe, der heute am liebsten ohne Revolution auskommen möchte. Der Mann, der Marx gerade philosophisch durchforscht hat und mir viele grundlegende Exzerpte daraus vorlas, ist nicht ganz derselbe, der heute nur noch so ein bißchen Vergesellschaftung der Produktionsmittel darin sieht und ‚den Menschen’ als ewige Erscheinung betrachtet, an der sowieso nicht geändert wird.“'' Natürlich ist davon auszugehen, dass Bloch Kracauer in gewisser Weise mit diesen Worten nicht nur eine Liste von Vorwürfen präsentieren wollte, sondern ihn in gewisser Weise auch zu provozieren versuchte, wie das so üblich ist unter 'Kollegen', wenn der eine bemerkt, wie der andere sich (nicht zu seinem Vorteil) verändert. Doch sei hier auch ausdrücklich auf Kracauers Situation in der FZ hingewiesen, da diese zunehmend den Druck auf ihren wohlmöglich kritischsten Feuilletonisten, durch Gehaltskürzungen und die Ablehnung von Artikeln, erhöhte. | Im April 1931 scheint die theoretische und politische Auseinandersetzung zwischen beiden zu beginnen. Bloch schreibt Kracauer in einem Brief vom 29.April 1931 vorwurfsvoll, er würde resignierend alles hinzunehmen: ''„Der Mann, der die Kultur gegen die Barbaren verteidigen will (...) ist nicht mehr ganz der Liebhaber des zerfressensten Marseille, des Films (...) der Improvisation. Der Mann, der noch in den Angestellten die ‚Flucht vor der Revolution’ sah ist nicht ganz derselbe, der heute am liebsten ohne Revolution auskommen möchte. Der Mann, der Marx gerade philosophisch durchforscht hat und mir viele grundlegende Exzerpte daraus vorlas, ist nicht ganz derselbe, der heute nur noch so ein bißchen Vergesellschaftung der Produktionsmittel darin sieht und ‚den Menschen’ als ewige Erscheinung betrachtet, an der sowieso nicht geändert wird.“'' Natürlich ist davon auszugehen, dass Bloch Kracauer in gewisser Weise mit diesen Worten nicht nur eine Liste von Vorwürfen präsentieren wollte, sondern ihn in gewisser Weise auch zu provozieren versuchte, wie das so üblich ist unter 'Kollegen', wenn der eine bemerkt, wie der andere sich (nicht zu seinem Vorteil) verändert. Doch sei hier auch ausdrücklich auf Kracauers Situation in der FZ hingewiesen, da diese zunehmend den Druck auf ihren wohlmöglich kritischsten Feuilletonisten, durch Gehaltskürzungen und die Ablehnung von Artikeln, erhöhte. |
Version vom 29. Februar 2008, 22:29 Uhr
Ernst Bloch (*Ludwigshafen am Rhein 8.Juli 1885, †Tübingen 4.August 1977)
Im Mai 1920 schreibt Siegfried Kracauer erstmals an Ernst Bloch und schickt ihm seinen Aufsatz über „Nietzsche und Dostojewski“.
Am 27.3.1922 erschien eine kritisierende Rezension von Kracauer über Blochs Thomas Münzer in der FZ, woraufhin Bloch eine Essaysammlung Kracauers stark kritisierte und auch vor persönlichen Beleidigungen nicht zurück schrak; diese Auseinandersetzung sollte eine scharfe Kontroverse zwischen beiden zur Folge haben.
Ab dem Frühjahr 1928 verschaffte Kracauer ihm eine freie Mitarbeit bei der FZ. Im selben Jahr noch gehen die ersten sieben Kapitel von Kracauers Roman „Ginster“, an Bloch nach Berlin, wo dieser sie vor der Publikation lesen soll. Kurz darauf folgt auch schon die Antwort Blochs, die voller Bewunderung, Respekt aber auch einzelnen Korrekturvorschlägen ist.
Im April 1931 scheint die theoretische und politische Auseinandersetzung zwischen beiden zu beginnen. Bloch schreibt Kracauer in einem Brief vom 29.April 1931 vorwurfsvoll, er würde resignierend alles hinzunehmen: „Der Mann, der die Kultur gegen die Barbaren verteidigen will (...) ist nicht mehr ganz der Liebhaber des zerfressensten Marseille, des Films (...) der Improvisation. Der Mann, der noch in den Angestellten die ‚Flucht vor der Revolution’ sah ist nicht ganz derselbe, der heute am liebsten ohne Revolution auskommen möchte. Der Mann, der Marx gerade philosophisch durchforscht hat und mir viele grundlegende Exzerpte daraus vorlas, ist nicht ganz derselbe, der heute nur noch so ein bißchen Vergesellschaftung der Produktionsmittel darin sieht und ‚den Menschen’ als ewige Erscheinung betrachtet, an der sowieso nicht geändert wird.“ Natürlich ist davon auszugehen, dass Bloch Kracauer in gewisser Weise mit diesen Worten nicht nur eine Liste von Vorwürfen präsentieren wollte, sondern ihn in gewisser Weise auch zu provozieren versuchte, wie das so üblich ist unter 'Kollegen', wenn der eine bemerkt, wie der andere sich (nicht zu seinem Vorteil) verändert. Doch sei hier auch ausdrücklich auf Kracauers Situation in der FZ hingewiesen, da diese zunehmend den Druck auf ihren wohlmöglich kritischsten Feuilletonisten, durch Gehaltskürzungen und die Ablehnung von Artikeln, erhöhte.