Beziehung zu Leo Löwenthal
Das Kennenlernen
Die erste Begegnung zwischen Leo Löwenthal und Siegfried Kracauer fand im Jahre 1920,in einem kleinen Café, dem Café Westend, welches sich schräg gegenüber der Frankfurter Oper (heutige Alte Oper)statt. Dieses Café, welches heute nicht mehr existiert, war nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Treffpunkt für die Frankfurter Intellektuellen geworden. Wer genau die beiden miteinander bekannt gemacht hat ist leider nicht mehr zu rekonstruieren. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens war Kracauer der 11 Jahre ältere Kracauer noch in einem Architektenbüro in Frankfurt tätig und Löwenthal studierte noch in Heidelberg. Die Treffen der beiden, vor allem in Löwenthals Ferien, sollten schnell zur Regelmäßigkeit werden und den Beginn einer lang anhaltenden Freundschaft markieren, wie Kracauer bereits 1921 in einem Brief bemerkte: „Daß unser Verhältnis immer inniger und freundschaftlicher geworden ist, beglückt mich mindestens ebenso, wie Sie, und ich glaube fest daran, daß wir uns in Zukunft noch viel sein werden.“ Aus ihrer persönlichen Beziehung sollten sich bald eine Reihe weiterer entwickeln. So lernte Löwenthal durch Kracauer unter anderem Theodor Wiesengrund (Adorno)kennen und später auch Max Horkheimer, dessen Bekanntschaft zu einem entscheidenen Meilenstein in seines Lebens werden sollte, da sie 1926 zu seinem Eintritt in das Institut für Sozialforschung führen sollte. Doch auch Kracauer lernte durch Löwenthal andere Intellektuelle kennen, so beispielsweise Ernst Bloch, aber auch den damaligen äußerst bekannten Rabbiner Anton Nehemias Nobel, in deren Kreis die beiden bald eintreten sollten. In dieser ersten Phase befaßten sie sich in ihren Diskussionen vor allem mit philosophischen und religiösen Fragen und den Schriften zeitgenössischer jüdischer Intellektueller, doch durfte auch hier natürlich der alltägliche Klatsch und Tratsch nicht fehlen.
Friedel und Leo
Siegfried Kracauer schrieb am 27.8.1922 für die "Frankfurter Zeitung" eine äußerst kritische Rezension zu Ernst Blochs Buch über Thomas Münzer. Dieser schien darüber so verärgert zu sein, dass er dem Autor in einem bitteren, sarkastischen und fast schon beleidigenden Ton antwortete. Als Folge dessen brach nicht nur Kracauer seine Freundschaft mit Bloch ab, sondern auch Löwenthal sah sichz dazu verpflichtet: „Es war eine selbstverständliche Reaktion zu sagen: wenn du meinen Freund beleidigst, bist du nicht länger mein Freund.“ Auch nach Martin Bubers bitterem Artikel, in welchem er Kracauer in fast schon geschmackloser Art und Weise abkanzelte, (ausgelöst durch Kracauers kritische Rezension von Martin Bubers und Franz Rosenzweigs „Die Bibel auf Deutsch“) brach Löwenthal sogar den Kontakt zu Franz Rosenzweig, mit einem Buber attackierenden Brief, ab. Es hatte sich bereits wenige Jahre nach dem kennenlernen eine intensive und feste Freundschaft entwickelte, in der man sich nicht nur über Gedanken, Ängste und Gefühle austauschen konnte, sondern auch in bemerkenswerter Weise hinter dem anderen stand.
Der Einfluss
Nachdem Kracauer 1921 dann endlich eine Festanstellung bei der Frankfurter Zeitung erlangt hatte, begann er sich fortan mit zunehmend weltlicheren Themen zu befassen. Rezensionen von verschiedensten Büchern, Berichte über diverse Ereignisse, doch Schritt für Schritt auch unterschiedlichste kulturelle und soziale Phänomene, bis hin zu tiefgründigen soziologischen Analysen. Doch sollte von dieser Weiterentwicklung auch der Freund beeinflusst werden; und so gelang es ihm letztlich Löwenthal von seinem „bloß spekulativen, idealistischen, hochtrabenden philosophischen Stil abzubringen und statt dessen zu konkretem Denken, ernster wissenschaftlicher Arbeit und kritischer Untersuchung gesellschaftlicher Fragen zu bewegen.“ Kracauer nahm so einen grundlegenden und weitreichenden Einfluss auf die intellektuelle Weiterentwicklung von Löwenthal.
Die Freundschaft