Der Weg zu einer Universität
Der Weg zur Universität
Nachdem es durch die Handelsakademie inzwischen eine Einrichtung für höhere Bildung gab fehlte der Stadt weiterhin eine Möglichkeit der Ärzteausbildung. Schon 1895 hatte Adickes seine Pläne einer „Hohen Schule der Medizin“ dem Frankfurter Magistrat niedergelegt doch erst 1902 versuchte er mit dem preußischen Kultusminister darüber zu verhandeln. Dank großem Engagement der Frankfurter Bürger wäre die Eröffnung einer Akademie für praktische Medizin möglich, doch versuchte Adickes ein Promotionsrecht für diese Einrichtung zu erwirken. Auch wenn das preußische Ministerium in vielen Punkten den Frankfurter Vorschlägen nachgab, ergab sich keine Chance, diese Rechte zu erlangen. 1905 wurden diese Ideen vollständig abgewiesen.
In der gleichen Zeit hatte allerdings die Handelsakademie sich durch Stiftungsgelder stark mit Lehrstühlen vergrößern können und durch eine große Erbschaft von der Familie Jügel war auch genügend Kapital zur Erweiterung vorhanden. Eigentlich war dieses Geld für Armen- und Krankenpflege oder das Schul- und Unterrichtswesen gedacht. Adickes wusste als Vorsitzender der Kommission zur Testamentsverwaltung diese Formulierung so umzudeuten, dass das Geld zur: „Errichtung und Unterhaltung einer allgemeinen öffentlichen akademischen Unterrichtsanstalt für die Gebiete der Geschichte, der Philosophie und der deutschen Sprache sowie der Literatur“ dienen sollte.
In der gleichen Zeit wurde damit begonnen, die verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen durch Grundstückstausch, Verkäufe, städtische Zuzahlungen usw. alle zusammen zu legen. Allen voran die zur Senckenbergstiftung gehörenden Einrichtungen, den physikalischen Verein und die Handelsakademie. Adickes versuchte dabei immer aus dem Hintergrund heraus seinen Plan von einer Universität umzusetzen. Durch die Idee einer reinen Stiftungsuniversität hätte man im Gegensatz zu Staats- Universitäten eine selbständige Vermögensverwaltung und die einzelnen Organe könnten bei der Berufung von Lehrstühlen mitwirken. Durch diese Freiheiten erwirkte Adickes die Zustimmung der einzelnen Einrichtungen, vor allem der Handelsakademie und des physikalischen Vereins. Die Idee aus der Akademie eine Universität zu gründen wurde zwar schon vorher besprochen, doch gab es einige Widersprüche, vor allem weil verschiedene Personen davon ausgingen, das dies zu einer Schädigung der Kernbereiche der Akademie führen würde. Als die ersten Ideen publik gemacht wurden kam es zuerst zu stark negativen Aussagen, vor allem wurde in der Presse zum Teil latent antisemitisch über den „jüdisch-demokratischen Geist“ in Frankfurt aber auch über eine neue Stätte des Kathedersozialimus und das Fehlen einer theologischen Fakultät berichtet. Andere Universitäten und Universitätsstädte schlossen sich den Bedenken sehr schnell an, vor allem Marburg ist hier zu nennen. Die in Marburg erscheinende Oberhessiche Zeitung schrieb: „Die Angelegenheit geht, darüber täuscht sich niemand, Marburg an den Lebensnerv“1. Die beschreibt die Stimmung sehr gut und auch viele andere süddeutsche Universitäten stellten sich kollektiv gegen die Pläne einer Universitätsgründung. Die hessische Regierung hielt sich bei dieser Diskussion demonstrativ heraus und verwies auf die Zugehörigkeit von Frankfurt an Preußen.
Dabei versuchte das preußische Parlament die Gründung der Universität zu verhindern. Es gab mehrere Gründe, die vor allem in den konservativen Parteien eine Rolle spielte, zum einen, dass eine kommunale Universität den Einflüssen der Region unterliegen würde und es damit keine Freiheit der Lehre gebe. Die war wohl auf die starke Sozialdemokratie in Frankfurt bezogen. Zum anderen auch, dass eine Großstadt kein geeigneter Ort für eine Universitätsgründung wäre, interessanterweise argumentierten andere Politiker genau mit dem Gegenteil. So sollten die Studenten „etwas von dem großen Hauch moderner Zeit berührt werden“.
Diese Diskussion war allerdings durch das preußische Wahlrecht, bei dem die Entscheidung beim König lag wenig ausschlaggebend und so zeigte sich die Regierung wenig beeindruckt. Der preußische Kultusminister August von Trott zu Solz (1855–1938) zeigte aber von Anfang an eine freundliche Haltung zu der Idee einer Universitätsgründung. Diese war aber nur als staatliche Universität möglich, da es trotz aller Vorbehalte des liberal-konservativen Flügels im Parlament, diese es nicht zu einen Bruch mit der Regierung komme lassen würde wegen der Gründung einer Universität. Aber auch aus dem Frankfurter Parlament war die Stimmung klar gegen die Gründung. Die Sozialdemokraten wollten die inzwischen gesammelten Spenden lieber wohltätigen Zwecken zuwenden, als für die Universität, gegen die sie als preußische Gründung eh eine Abneigung hatten.
Hauptsächlich durch sein starkes Engagement konnten Adickes und die anderen Befürworter der Universität die Gründung weiter voran treiben. Durch viele Denkschriften und Reden konnte Adickes langsam der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen. Die Zustimmung einzelner Stifter erhielt Adickes allerdings erst, nachdem gesichert war, dass es keine Bindung an religiöse Bekenntnisse gab, somit hatten jüdische Gelehrte die Möglichkeit die Lehrstühle zu besetzen und nicht systematisch zurückgesetzt zu werden, wie es an anderen Universitäten üblich war.
Durch das Fehlen religiöser Bekenntnis bedeutete dies für die Berufung auf einen Lehrstuhl, dass nicht wie üblich die Fakultäten Vorschläge bei dem Minister einreichten und dieser dann die Ernennung durchführte. Viel mehr sollte es Verhandlungen in einem großen Rat bzw. im kleine geschäftsführenden Ausschuss (später Kuratorium genannt) geben, damit wurde auf die Wünsche der Stifter eingegangen. Aller Widerstände zum Trotz und nach vielen Vorleistungen genehmigte Wilhelm II. am 10. Juni 1914 die Errichtung und Eröffnung einer Universität zu Frankfurt am Main für das Winterhalbjahr 1914/152