Oppenheimers Jahre in Frankfurt - 1919 bis 1929

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1919 bis 1924

Bereits Ende des Jahres 1918 stand Franz Oppenheimer als erster Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie und theoretische Nationalökonomie fest, obwohl zu dieser Zeit offiziell noch insgesamt drei Anwärter zur Wahl standen. In einem Schreiben vom 27. Dezember 1918 schlug der Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät Prof. Schmidt dem Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin neben Franz Oppenheimer noch Othmar Spann und Paul Barth als Kandidaten für die Besetzung des Lehrstuhls vor. Paul Barth galt zu dieser Zeit noch als aussichtsreichster Kandidat für den neu geschaffenen Lehrstuhl. Bereits drei Tage nach dem Schreiben, also am 30. Dezember 1918, schickte das Universitäts-Kuratorium einen Erlass an das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, der auf den 15. Dezember 1918 datiert war. In diesem Schreiben wurde als einziger Anwärter Franz Oppenheimer genannt. Ebenfalls wurde bereits in diesem Schreiben über seine künftige Bezahlung diskutiert und deutlich gemacht, dass der Stifter des Lehrstuhls, der Konsul Karl Kotzenberg, noch nähere Bestimmungen zu seiner Stiftung äußern wird. Heute weiß man, dass Franz Oppenheimer vor allem auf Grund der Intervention von Konsul Karl Kotzenberg den Vorzug vor Paul Barth und Othmar Spann erhielt.

In der Vereinbarung vom 17. Januar 1919 zwischen der Universität und Franz Oppenheimer wurde nun festgehalten, dass der Lehrauftrag Oppenheimers auf Soziologie und theoretische Nationalökonomie lauten sollte.<bibref f="sozfra.bib">UAFOppenheimer:2008</bibref> Dies war eine Bedingung Oppenheimers, welche er gegen den Willen der Fakultät und mit Einverständnis des zuständigen Ministeriums durchsetzte. Dies führte später dazu, dass seine Stellung an der Universität nicht unangefochten blieb.<bibref f="sozfra.bib">Haselbach:2008b</bibref> Neben dieser Bedingung behielt es sich Oppenheimer auch vor, Vorlesungen über die Geschichte des Sozialismus und der Nationalökonomie zu halten. Im Gegenzug verzichtete er allerdings darauf Vorlesungen über Finanzwissenschaft oder praktische Nationalökonomie zu halten.<bibref f="sozfra.bib">UAFOppenheimer:2008</bibref> Neben diesen, die Lehre betreffenden Aspekten, wurden natürlich auch die finanziellen Aspekte geklärt, so erhielt Oppenheimer bereits zu Beginn seiner Lehrtätigkeit das Höchstgehalt von 8 400 M zuzüglich des Wohnungsgeldzuschusses von 1 300 M.<bibref f="sozfra.bib">UAFOppenheimer:2008</bibref> Die Umzugskosten, um deren Bezahlung er ebenfalls gebeten hatte, wurde ihm nicht erstattet, doch wurde im einmalig ein Betrag von 3 000 M überwiesen, der als Entschädigung für seinen schnellen, teuren Umzug von Berlin nach Frankfurt am Main dienen sollte.

Am 01. April 1919 sollte Franz Oppenheimer nun die neue ordentliche Professur für Soziologie und Nationalökonomie übernehmen und seine Lehre in Frankfurt beginnen. Dies gelang im zunächst jedoch nicht.

Am 03. März 1919 wurde Oppenheimer im Marienkrankenhaus aufgenommen um sich, wie er selbst bezeichnete, einer kleinen Operation zu unterziehen, deren Nachbehandlung nicht länger als eine Woche dauern sollte. Um welche Art von Operation es sich genau handelte, ist nicht bekannt. Allerdings traten kurz nach der Operation Komplikationen auf. Dazu kam eine schwere Wundinfektion, die Oppenheimer 2 ½ Monate ans Krankenhausbett fesselte.<bibref f="sozfra.bib">UAFOppenheimer:2008</bibref> Der Beginn seiner Lehrtätigkeit sollte aus diesem Grund zunächst auf den 12 Mai 1919 verschoben werde, wurde später jedoch auf das folgende Wintersemester 1919/1920 verlegt.<bibref f="sozfra.bib">VVRZFFM:1919</bibref>

Im besagten Wintersemester begann Oppenheimer nun seine Lehrtätigkeit an der Frankfurter Universität mit Übungen über theoretische Nationalökonomie und Vorlesungen über die Geschichte des Sozialismus sowie über das System der Soziologie, in welcher er auf den Staat und die Wirtschaftsgesellschaft einging.<bibref f="sozfra.bib">VVRZFFM:1919</bibref>

Im Sommersemester 1920 folgte Oppenheimer größtenteils seiner Einteilung und bot Übungen über theoretische Nationalökonomie für Anfänger und Fortgeschrittene an. Anstatt der Vorlesung über die Geschichte des Sozialismus hielt er in diesem Semester eine Vorlesung über die Geschichte der Nationalökonomie.<bibref f="sozfra.bib">VVRZFFM:1920</bibref> Diesen Wechsel hielt Oppenheimer während seiner gesamten Zeit in Frankfurt bei. Die Vorlesungen über die Geschichte des Sozialismus bzw. über die Geschichte der Nationalökonomie hielt er in der Folge immer im Wechsel und nie zusammen in einem Semester. Auch im folgenden Wintersemester 1920/1921 blieb er seinem Muster treu und bot neben den Übungen über theoretische Nationalökonomie für Anfänger und Fortgeschrittene erneut die Vorlesung über die Geschichte des Sozialismus an<bibref f="sozfra.bib">VVRZFFM:1920</bibref>, bevor er im darauf folgenden Sommersemester 1921 eine Pause einlegte und keine Lehrveranstaltungen anbot. Ob dies mit seiner schweren, chronischen Bronchitis zusammenhing, die ihn später teilweise auch berufsunfähig wurden lies, ist nicht belegt. Möglich ist auch, dass er auf Grund der Erkrankung seiner zweiten Frau Mathilde, die ein Jahr später verstarb, seine Lehrtätigkeit für kurze Zeit ruhen ließ.<bibref f="sozfra.bib">Heuer.etal:2008</bibref>

In diesem Zeitraum begann er zumindest mit der Arbeit an dem ersten Teil des ersten Bandes seines später achtteiligen Hauptwerkes, dem „System der Soziologie“, welches im darauf folgenden Jahr 1922 erschien. Bis dahin hatte sich Oppenheimer in seiner Frankfurter Zeit hauptsächlich mit dem Kommunismus, dem Kapitalismus sowie der Sozialen Frage beschäftigt und dazu auch mehrere Bücher geschrieben bzw. veröffentlicht.

Im April des Jahres 1922 bat Oppenheimer beim Preußischen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung darum sich für drei Jahre beurlauben zu lassen um in dieser Zeit nach Japan reisen zu können. Der Minister entsprach dem Wunsch unter der Bedingung, dass Oppenheimer in diesen Jahren kein Gehalt erhalten sollte.<bibref f="sozfra.bib">UAFOppenheimer:2008</bibref> Oppenheimer unterließ jedoch die Reise und den dreijährigen Urlaub. Ob er dies auf Grund der fehlenden Bezahlung, seiner schlechten Gesundheit oder auf Grund von anderen Umständen tat, ist nicht bekannt.

In den folgenden Semestern übte Oppenheimer seine Lehrtätigkeit mit den üblichen Vorlesungen und Übungen aus. Große Änderungen wurden nicht vorgenommen. Erst im Wintersemester 1922/1923 veränderte Oppenheimer sein Lehrprogramm in der Weise, dass er es um eine Vorlesung über Allgemeine Soziologie sowie um ein Soziologisches Kolloquium, welches er zusammen mit Gottfried Salomon-Delatour hielt, erweiterte.<bibref f="sozfra.bib">VVRZFFM:1922</bibref> Die Vorlesung zur Allgemeinen Soziologie hielt Oppenheimer bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1929 noch vier weitere Male. Das Soziologische Kolloquium (später auch als Soziologische Übungen bezeichnet) hingegen wurde zu einem festen Bestandteil in der Lehre und wurde, mit wenigen Ausnahmen, in jedem Semester angeboten. Im Sommersemester 1924 hielt Franz Oppenheimer eine Vorlesung über Karl Marx<bibref f="sozfra.bib">VVRZFFM:1924</bibref>, die er in seiner weiteren Karriere nie mehr wiederholte. Im gleichen Semester hatte er jedoch auch wieder starke Probleme mit seiner schweren, chronischen Bronchitis, die ihn in der Ausübung seiner Lehrtätigkeit behinderten. Als Folge davon wurde Oppenheimer ein Semester lang beurlaubt und zu einer Kur in die Schweiz geschickt, da bereits durchgeführte Kuren im deutschen Tiefland oder in deutschen Mittelgebirgen nicht erfolgreich waren.<bibref f="sozfra.bib">UAFOppenheimer:2008</bibref> Oppenheimer selbst bat jedoch darum den Urlaub nicht nur als Krankheitsurlaub, sondern auch als Arbeitsurlaub zu bezeichnen, da er beabsichtigte, den zweiten Teil des dritten Bandes seines Werkes „System der Soziologie“ fertig zu stellen.<bibref f="sozfra.bib">UAFOppenheimer:2008</bibref> Den zweiten Teil des ersten Bandes sowie den ersten Teil des dritten Bandes hatte er bereits 1923 fertig gestellt und veröffentlicht.

Die Vertretung seiner Professur übernahm im Wintersemester 1924/1925 Oppenheimers Assistent, Privatdozent Dr. Gottfried Salomon-Delatour, mit dem er schon in den voran gegangenen Semestern mehrere soziologische Veranstaltungen zusammen abgehalten hatte.<bibref f="sozfra.bib">VVRZFFM:1924</bibref>

1925 bis 1929

Nach der Rückkehr aus seinem Krankheitsurlaub (oder Arbeitsurlaub, wie er in selbst bezeichnete) ging Oppenheimer im Sommersemester 1925 wieder seiner gewohnten Lehrtätigkeit nach. Neben den üblichen Vorlesungen und Übungen über theoretische Nationalökonomie und dem mittlerweile obligatorischen Soziologischen Kolloquium hielt er in diesem Semester auch eine Vorlesung über die Soziologie des Staates.<bibref f="sozfra.bib">VVRZFFM:1925</bibref> In den folgenden Semestern veränderte Oppenheimer sein Lehrangebot kaum. Neben den bekannten Übungen und Vorlesungen hielt er gelegentlich noch Übungen und Vorlesungen in Bezug auf die Marxsche Lehre, die jedoch in seinem Lehrplan nie obligatorisch wurden.

Im Jahr 1926 vollendete und veröffentlichte Oppenheimer das zweite Band seines Hauptwerkes „System der Soziologie“. Im darauf folgenden Jahr brachte er unter dem Titel „Soziologische Streifzüge. Gesammelte Reden und Aufsätze.“ eine Schriftensammlung heraus. Zwei Jahre später, also 1929, folgten „Mein wissenschaftlicher Weg“ und der erste Teil des vierten Bandes seines „System der Soziologie“. Die beiden letzten Teile dieses Werkes, nämlich der zweite und der dritte Teil des letzten, vierten Bandes, folgten 1933 und 1935. Kurz nach Veröffentlichung des letzten Bandes wurde Oppenheimers Hauptwerk, an dem er 13 Jahre gearbeitet hatte, von den Nationalsozialisten verboten.<bibref f="sozfra.bib">Haselbach:2008b</bibref>

Am 31. März 1929 wurde Franz Oppenheimer emeritiert.<bibref f="sozfra.bib">UAFOppenheimer:2008</bibref> Kurze Zeit später zog er zurück nach Berlin. In den Jahren 1934 und 1935 lebte er in Palästina und lehrte an der dortigen Universität.<bibref f="sozfra.bib">Heuer.etal:2008</bibref> Danach kehrte er nach Deutschland zurück. Im Jahr 1938 emigrierte er dann schließlich zunächst nach Japan und später in die USA. Dort ließ er sich in Los Angeles nieder und lebte dort bis zu seinem Tode am 30. September 1943.

Seine Professur für Soziologie und theoretische Nationalökonomie an der Frankfurter Universität übernahm am 01. April 1930, nach einer kurzen Vertretungsphase durch Gottfried Salomon-Delatour, der Heidelberger Privatdozent Karl Mannheim.


Fazit

Die Zeit von Franz Oppenheimer an der Frankfurter Universität war vor allem geprägt von seinen schweren gesundheitlichen Leiden, die ihn mehrere Male berufsunfähig wurden ließen, sowie durch die anfänglichen Konflikte mit der Fakultät. Diese Konflikte beschwor Oppenheimer bereits vor seiner eigentlichen Berufung herauf, als er darauf bestand seinem Lehrauftrag für Soziologie den Zusatz "und theoretische Nationalökonomie" hinzuzufügen. Da er sich dabei über den Willen und den Kopf der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften hinweg setzte und sich direkt an das zuständige Ministerium wendete, beschwor er schon früh den Unmut seiner Kollegen herauf, die ihm auch später des Öfteren Steine in den Weg legten.

Ohnehin schien Frankfurt für Oppenheimer nur die Ersatzlösung gewesen zu sein. Dies wird auch in seiner Autobiographie deutlich, wenn er schreibt: „Ich hätte besser getan, [den Ruf] abzulehnen.“<bibref f="sozfra.bib">Oppenheimer.etal:2008</bibref> Auch seine Anträge aus dem Jahr 1922 sich für drei Jahre nach Japan beurlauben zu lassen und die Tatsache, dass er sich 1929 zum frühsten möglichen Zeitpunkt bereits emeritieren ließ und kurze Zeit später zurück nach Berlin zog, verdeutlichen dies. Seine gesamte Zeit in Frankfurt war Oppenheimer ein Außenseiter, obwohl seine Schüler, in der Soziologie als auch in der Nationalökonomie, vor und nach seinem Tode zu bedeutenden Persönlichkeiten in Deutschland wurden. In der Soziologie ist hier vor allem Gottfried Salomon-Delatour zu nennen, der nach Oppenheimers Emeritierung im Jahr 1929 kurz seinen Lehrstuhl vertrat. Daneben sind in der Nationalökonomie vor allem Adolph Löwe und der spätere Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und "Vater des Wirtschaftswunders" Ludwig Erhard zu nennen.

In Bezug auf die Bearbeitung seiner Werke war Frankfurt vor allem in soziologischer Hinsicht bedeutend, so entstanden hier die ersten sechs Teilbände seines achtteiligen Hauptwerkes "System der Soziologie". Daneben entstand eine die Soziologie betreffende Schriftensammlung, welcher er "Soziologische Streifzüge" nannte.

Trotz allem konnte Oppenheimer seiner Zeit in Frankfurt nicht viele positive Aspekte abgewinnen. Neben seinen vielen gesundheitlichen Beschwerden verstarb zudem seine zweite Ehefrau während der Schwangerschaft ihres zweiten Kindes.<bibref f="sozfra.bib">Oppenheimer.etal:2008</bibref> Auch beruflich verlor Oppenheimer zunehmend die Lust an der Lehre, was vor allem an der geringen Zahl der Hörer in seinen Soziologie-Vorlesungen lag.<bibref f="sozfra.bib">Oppenheimer.etal:2008</bibref>

Am deutlichsten wird Oppenheimers Einstellung zu seiner Frankfurter Zeit in seiner 254seitigen Autobiographie „Erlebtes, Erstrebtes, Erreichtes“, in welcher er die zehn Frankfurter Jahre auf nicht einmal vier Seiten abhandelte.

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