DGS-Darstellung
Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie e.V. (DGS) ist eine wissenschaftliche Vereinigung zur Förderung der soziologischen Forschung und Lehre. Der gemeinnützige Verein hat sich zum Ziel gesetzt, „sozialwissenschaftliche Probleme zu erörtern, die wissenschaftliche Kommunikation der Mitglieder zu fördern und an der Verbreitung und Vertiefung soziologischer Kenntnisse mitzuwirken“.
Geschichte der DGS
Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie e. V. wurde am 3. Januar 1909 von einer Gruppe von 39 Wissenschaftlern in Berlin gegründet, von denen keiner hauptberuflich „Soziologe“ war. Sie ist die zweitälteste soziologische Gesellschaft ihrer Art auf der Welt. Als ihr Initiator ist Rudolf Goldscheid (1870-1931) zu nennen, als erster Präsident wurde Ferdinand Tönnies gewählt, der 1933 wegen seiner Opposition zum nationalsozialistischen Regime genötigt wurde, dies Amt nieder zu legen, als auch bereits ein Teil der Mitglieder das Land verlassen hatte.
Sein Nachfolger, Hans Freyer, stellte 1934 alle Aktivitäten der DGS ein. In der Folge blieb sie bis 1946 inoperativ. Über den genauen Hergang, die Rolle und eventuelle Aktivität der DGS während der Zeit des Nationalsozialismus besteht unter den Soziologen allerdings keine Einigkeit, Dokumente aus dieser Zeit verbrannten während des Krieges. (Ein ziemlich vollständiger Korpus von Akten von 1909 bis 1933 befindet sich jedoch im Nachlass von Ferdinand Tönnies in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel.)
Nach 1946 wurde die DGS wieder gegründet, und Leopold von Wiese wurde ihr erster Präsident. Ihm folgte Helmuth Plessner. Bis zum Berliner Soziologentag zum 50. Jahrestag der DSG 1959 formierten sich die drei großen Schulen der Soziologie der Nachkriegszeit: (1) die Kölner Schule von René König, (2) die von der Leipziger Schule beeinflusste Richtung, die vor allem mit Helmut Schelsky in Münster in Verbindung gebracht wird, und (3) die Frankfurter Schule um Max Horkheimer und Theodor W. Adorno.
Die folgenden Soziologentage der DGS wurden zum Ort der Auseinandersetzung zwischen der Kritischen Theorie und dem Kritischen Rationalismus im sog. Positivismusstreit, ohne dass sich eine Lösung abzeichnete. Neuen Stoff für Auseinandersetzungen lieferte die 68er Studentenbewegung. Diesmal verlief die Front zwischen Herbert Marcuse und Theodor W. Adorno auf der einen und Ralf Dahrendorf, dem damaligen Vorsitzenden der DGS, auf der anderen Seite. Der Vorstand der DGS sah die Einheit der Gesellschaft gefährdet und sah sich von der Außerparlamentarischen Opposition (APO) mit ihren marxistischen Theorieansätzen bedroht. Es kam zu einem Moratorium von sechs Jahren, bevor ein neuer Soziologentag einberufen wurde. Die Ziele und die Struktur der DGS wurden neu definiert und eine Veränderung weg von einer Gelehrtengesellschaft hin zu einer breiteren Basis eingeleitet, indem die Mitgliedschaft nicht mehr nur auf Professoren beschränkt, sondern auch auf Promovierte ausgeweitet wurde.
Bis in die 1990er Jahre beschäftigt sich die DSG schwerpunktmäßig mit der Ausarbeitung eines Lehrkanons der Soziologie und dem Entwurf von Richtlinien für die Ausstattung von Studiengängen an den Universitäten. Die Deutsche Wiedervereinigung stellt die nächste Herausforderung für die Soziologen-Gesellschaft dar, nachdem sich kurz vor der Wende eine Deutsche Gesellschaft für Soziologie Ostdeutschland gegründet hatte, die sich dann 1992 wieder auflöste. Ergebnis von Verhandlungen mit der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Ostdeutschland und dem Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS), war 1992 die Formulierung eines gemeinsamen „Ethikkodex“ für Soziologinnen und Soziologen. Der Ethikkodex legte Normen für das Verhalten von lehrenden und forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fest und wurde in einer gemeinsamen Ethikkommission der Verbände exekutiert. Zur gleichen Zeit wurde die seit 1909 geführte Bezeichnung Deutscher Soziologentag auf Wunsch der erstarkenden Sektion „Frauenforschung“ in die geschlechtsneutrale Bezeichnung Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie geändert.
In den 1990er Jahren fanden zwei Soziologenkongresse erstmals in ostdeutschen Städten (Halle und Dresden) statt und die DGS richtete zusammen mit der Universität Bielefeld 1994 den von der International Sociological Association (ISA) einberufenen Weltkongress der Soziologie aus, der 4000 Soziologen nach Bielefeld führte. Weiterhin wurde die schon zu Beginn der DGS bestehende Zusammenarbeit mit Soziologen aus Österreich und der Schweiz neu belebt. So wurde der Soziologiekongress 1998 in Freiburg als gemeinsamer deutscher, Schweizer und österreichischer Kongress durchgeführt - passend zum damaligen Kongressthema „Grenzenlose Gesellschaft“.
2006 in Kassel hatte der Kongress das Thema „Die Natur der Gesellschaft“.
Die DGS heute
Die DGS ist über ein Jahrhundert von einer exklusiven Gelehrtengemeinschaft zu einer breiten Vereinigung von soziologisch arbeitenden Wissenschaftlern mit über 1600 Mitgliedern (2007) herangewachsen. Sie umfasst zahlreiche Sektionen und Arbeitsgruppen zu höchst verschiedenen soziologischen Fragestellungen und Theorieansätzen, die je eigene Arbeitstagungen abhalten. Daneben entwickeln sich die Soziologenkongresse zu Großveranstaltungen mit über 3000 Teilnehmern, und damit - laut Selbstanalyse der DGS auf der Webseite der Gesellschaft - zu einem "Massenereignis mit kollektiven Ritualen", das die "latente Funktion der sozialen Integration der Soziologen in Deutschland und auch darüber hinaus" erfüllt.
Seit Mitte der 1990er Jahre scheint in die Arbeit und die Diskussion in der DGS eine vorher nicht gekannte Unaufgeregtheit eingekehrt zu sein. Selbst die vorher vielgeschmähte qualitative Sozialforschung, um deren Grundthesen vor 50 Jahren erhitzte Debatten geführt wurden, ist mit einer eigenen Sektion salonfähig geworden. Diese Entwicklung kann als Zeichen für sowohl die Etablierung der Soziologie als auch für sinkendes Interesse der öffentlichen Meinung gedeutet werden.
Zeitschrift
Als Forum der Deutschen Gesellschaft für Soziologie gibt die DGS die vierteljährig erscheinende Zeitschrift „Soziologie“ heraus.
Präsidenten bzw. Vorsitzende der DGS
- Präsidenten
- 1909–1933 Ferdinand Tönnies
- 1933–1946 Hans Freyer - ab 1934 ließ er die DGS "ruhen"
- Vorsitzende
- 1946–1955 Leopold von Wiese
- 1955–1959 Helmuth Plessner
- 1959–1963 Otto Stammer
- 1963–1967 Theodor W. Adorno
- 1967–1970 Ralf Dahrendorf - Rücktritt wegen der Übernahme eines politischen Amtes
- 1970 Erwin K. Scheuch
- 1971–1974 M. Rainer Lepsius
- 1974–1978 Karl Martin Bolte
- 1979–1982 Joachim Matthes
- 1983–1986 Burkart Lutz
- 1987–1990 Wolfgang Zapf
- 1991–1992 Bernhard Schäfers
- 1993–1994 Lars Clausen
- 1995–1998 Stefan Hradil
- 1999–2002 Jutta Allmendinger
- 2003–2006 Karl-Siegbert Rehberg
- seit 2007 Hans-Georg Soeffner
Kongresse der DGS
- 2008 Jena "Unsichere Zeiten. Herausforderungen gesellschaftlicher Transformationen"
- 2006 Kassel "Die Natur der Gesellschaft"
- 2004 München "Soziale Ungleichheit - Kulturelle Unterschiede"
- 2002 Leipzig "Entstaatlichung und soziale Sicherheit"
- 2000 Köln "Gute Gesellschaft? Zur Konstruktion sozialer Ordnungen"
- 1998 Freiburg im Breisgau "Grenzenlose Gesellschaft"
- 1996 Dresden "Differenz und Integration"
Siehe auch
- American Sociological Association
- Asociación Latinoamericana de Sociología
- Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen
- European Sociological Association
- Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft
- International Sociological Association
- Österreichische Gesellschaft für Soziologie
Weblinks
- DGS - Deutsche Gesellschaft für Soziologie (siehe insbesondere: Geschichte)
- 33. Kongress der DGS "Die Natur der Gesellschaft" 2006 in Kassel
- BDS - Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen
- ESA - European Sociological Association
- ISA - International Sociological Association
- FTG - Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft
cs:Německá sociologická společnost en:German Society for Sociology fr:Société allemande de sociologie