Jürgen Habermas - Verpasste Chance für Frankfurt

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Einleitung

Die Soziologie in Frankfurt, sowie der Begriff der Frankfurter Schule sind geschichtlich eng verbunden mit dem Namen Jürgen Habermas. Habermas begann und beendete seine akademische Laufbahn in Frankfurt. Dennoch gab es im laufe der Jahre immer wieder Wendepunkte an denen sich die Wege der Universität und die von Jürgen Habermas trennten.

Die Werke des bis heute einflussreichsten Philosophen und Soziologen wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und lösten disziplinübergreifene Kontroversen in Philosophie, Wissenschaftstheorie, Soziologie und Politologie aus. In Deutschland wurde Habermas, nachdem er bereits durch den Positivismusstreit und sein Werk Erkenntnis und Interesse allgemein bekannt geworden war, nach der Veröffentlichung der Theorie des kommunikativen Handelns zu einem der meistdiskutierten deutschen Philosophen der Gegenwart. Seit den 1980er Jahren erschien eine Reihe von Einführungen in sein Leben und Werk. Habermas publizierte zudem regelmäßig in zahlreichen deutschen Feuilletons wie dem der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung oder der Zeit.[1]

Auch im Ausland erfreut sich Habermas seit Anfang der 80iger Jahre großer Beliebtheit, welches sich in mehrere nationale und internationale Auszeichnungen widerspiegelt.

Dennoch ist erkennbar, dass Habermas seine bekannten und einflussreichen Werke bemerkenswert oft nicht in den Jahren in Frankfurt verfasst hatte, sondern großteils in den Jahren dazwischen. Er konnte gerade in seiner Anfangszeit an der Universität Frankfurt nie richtig Fuß fassen.

Welche Gründe dies gehabt haben kann und auf welche institutionellen, personellen und strukturellen Probleme er in Frankfurt immer wieder gestoßen ist, soll im Folgenden erarbeitet werden.


Zunächst lässt sich seine Zeit in Frankfurt grob in drei Phasen einteilen: Die erste Phase von 1956 bis 1959, seine zweite Phase von 1964 bis 1971 und die dritte Phase von 1983 bis zu seiner Emeritierung 1994.

Erste Phase 1956 - 1959

Die erste Phase wird bestimmt durch das Verhältnis von Habermas zum damaligen Institutsleiter der Frankfurter Universität und Mitbegründer der „kritischen Theorie“ Max Horkheimer. Jürgen Habermas kam als Assistent Adornos und Mitarbeiter des Instituts für Sozialforschung 1954 nach Frankfurt. Nachdem mit Ludwig v. Friedeburg ein junger, professioneller und für Gesellschaftskritik offener Empiriker, ein Jahr zuvor ans Institut gekommen war, wurde der ausdrückliche Wunsch nach einem Soziologen, der theoretische Soziologie lehren konnte von Adorno gegenüber Horkheimer dem Leiter des Instituts, geäußert.

Sein erstes Projekt war das theoretische Vorwort der empirischen Studie „Student und Politik“(Ausführung zu Student und Politik) Auf Grund dieser Studie, kam es zu einem Konflikt mit Max Horkheimer, dessen Gründe im Briefwechsel Horkheimer Adorno ausführlich dargestellt werden und dazu führten das die Einwände Horkheimers dieser Studie betreffend das Erscheinen verzögerten und letztendlich nicht in der Reihe der „Frankfurter Beiträge zur Soziologie“, nicht einmal im gleichen Verlag erschienen sind. Horkheimer war es daran gelegen als Institutsleiter stellvertretend für das Institut nicht in Verbindung mit dieser Studie gebracht zu werden. Horkheimer schrieb am 27. September 1958 einen Brief an Adorno, der eine schwerwiegende Kritik an Habermas enthielt und unter anderem dazu führte das dieser nicht in Frankfurt habilitieren konnte.

Für Horkheimer ist er „ein begabter, unablässig auf geistige Überlegenheit sich verweisender Mensch“. Er „ trägt bei aller Gescheitheit Scheuklappen, es gebricht ihm an bon sens und an geistigem Takt“. Unverständlich sei es, dass Habermas, „der so viel von Empirie redet, heute zu Schriften sich bekennt, die auf der Ansicht beruhen, die Bourgoisie sei unfähig, noch lange die herrschende Klasse der Gesellschaft zu bleiben „, und die proletarische Revolution in den Industrieländern noch für Möglich hielten. In der Sicht von Horkheimer hat diese Revolutionstheorie den Sozialismus in einem Land nur die Verwandtschaft zum Nationalsozialismus geführt. Nicht die Revolution ist zu verteidigen sondern vielmehr die Reste der bürgerlichen Zivilisation und die europäische Zivilgesellschaft. Wenn Habermas´ Denken den Geist des Frankfurter Instituts bestimmen sollte, dann „erziehen wir keine freien Geister, keine Menschen, die zu eigenem Urteil fähig sind, sondern Anhänger, die auf Schriften schwören, heute auf die, morgen vielleicht auf jene“. Abschließend schlug Horkheimer dann vor, sich von Habermas zu trennen, weil er zwar eine glänzende Karriere vor sich habe, dem Institut aber großen Schaden bringen würde. „Lassen Sie uns zur Aufhebung der bestehenden Lage schreiten und ihn in Güte dazu bewegen, seine Philosophie irgendwo anders aufzuheben und zu verwirklichen“.

Habermas, der mit seinem Werk „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ keine Chance sah in Frankfurt zu habilitieren, trotz intensiver Bemühungen Seitens Adornos und Helmut Beckers Max Horkheimer zu überreden, das Habilitationsgesuch anzuerkennen, kündigte und machte sich auf die Suche nach einer neuen Habilitationsmöglichkeit. Seine Versuche mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit an anderen Universitäten habilitiert zu werden scheiterten jedoch zunächst, so dass sich Habermas gezwungen sah, seine journalistische Tätigkeit wieder auf zu nehmen. Durch einen Zufall machte Spiros Simitis Habermas auf den bis dato für ihn unbekannten Wolfgang Abendroth von der Universität Marburg aufmerksam, welcher ihn daraufhin kurzfristig habilitierte.

Bereits 1961, noch vor Abschluss seines Habilitationsverfahrens, wurde Habermas nach Vermittlung von Gadamer außerordentlicher Professor an der Universität Heidelberg, wo er bis 1964 lehrte. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Aufsätze welche sich mit dem Positivismusstreit in der Soziologie auseinandersetzten und eines seiner einflussreichsten Werke: „Erkenntnis und Interesse“.

Zweite Phase 1964 - 1971

1964 ging Habermas ein zweites Mal nach Frankfurt, wo er als Nachfolger Horkheimers den Lehrstuhl für Soziologie und Philosophie an der Universität übernahm. Bereits 1971 verlies er Frankfurt wieder, diesmal in Richtung Starnberg um mit Carl Friedrich von Weizsäcker das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt zu leiten. Wie sich die Situation für Habermas und seine Arbeit in Frankfurt in diesen sieben Jahren dargestellt hat und welche Ereignisse und Entwicklungen in diesen Jahren maßgeblich dazu beigetragen haben, dass er Frankfurt wieder verliest, stellt den zweiten Punkt dieser Arbeit dar.

Habermas beteiligte sich früh an den Debatten um eine Hochschulreform und sollte im weiteren Verlauf eine exponierende Rolle spielen. Bereits in den 50iger Jahren war Habermas für demokratische Reformen des Bildungswesens und der Hochschulen eingetreten und wurde so als Vertreter der Linken zu einem geistigen Anreger der Studentenbewegung 1967/68.


Einen weiteren Wendepunkt in der soziologischen und philosophischen Geschichte der Universität Frankfurt bildete der Tod Theodor W. Adornos im Jahre 1969 und eine damit verbundene erkennbar gewordene Zäsur. Aus dem zum früheren Horkheimer- Kreis Gehörenden Personen lebte noch Erich Fromm, dessen Entfremdung zu Horkheimer und dessen Kreis nie wirklich aufgehört hatte. Richard Löwenthal lebte seit den 50iger Jahren in den USA und arbeitete ab 1956 als Professor an der Universität von Berkeley. Der Bruch mit Adorno und Horkheimer erfolgte aber bereits in den frühen 50iger Jahren als es zu einem Streit über von Löwenthal gegenüber dem Institut geltend gemachten Pensionsansprüchen ging. Herbert Marcuse war von Horkheimer nie wirklich als geistigen weiterführer der Tradition anerkannt, so kam es auch zu dem Ausspruch Horkheimers „Marcuses Ruhm beruhe auf Gedanken, die gröber und simpler als Adorno und meine Gedanken sind“ . Horkheimer selber lebte seit seiner Emeritierung 1959 in Montagnola bei Lugano, stand aber seiner Vergangenheit seit dem her eher distanziert gegenüber.

Innerhalb von 2 Jahren verließen auch die „Jüngeren“ Soziologen und Adorno Schüler die Frankfurter Szene. Friedeburg wurde 1969 hessischer Kultusminister und nahm auf administrativer Ebene den Kampf für die Bildungsreform auf. Oskar Negt wurde 1970 Soziologie- Professor in Hannover.

Jürgen Habermas nahm 1971 einen Ruf als Direktor am Max- Planck- Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich- technischen Welt in Starnberg bei München an und „hoffte, dort seine Konzeption interdisziplinärer Theorie- Arbeit realisieren zu können, für die er am Institut für Sozialforschung, dessen Mitdirektion ihm angeboten worden war, keine Chance sah“.

Er schrieb in einem Brief im April 1971 an Horkheimer, in dem er zwei Faktoren für seine Entscheidung das Institut zu Verlassen deutlich machte. “Ich brauche Ihnen nicht darzustellen, wie sehr sich die Szene hier nach Adornos Tod verändert hat. Ich habe zwei Motive, nach Starnberg zu gehen. Auf der einen Seite habe ich dort großzügige Möglichkeiten, zu forschen. Ich kann 15 wissenschaftliche Stellen besetzen, und kann in einem verhältnismäßig weiten finanziellen Spielraum frei über die Wahl der Projekte entscheiden. Hier in Frankfurt hingegen hat niemals die realistische Möglichkiet bestanden, mit den Mitarbeitern in das Institut für Sozialforschung einzutreten, mit denen ich zusammenarbeiten möchte. Der andere Grund ergibt sich aus dem Umstand, dass der künftige sozialwissenschaftliche Fachbereich mit der Aufgabe belastet sein wird, die Grundausbildung der Lehrer, der Juristen und der Ökonomen zu übernehmen. Würde ich hierbleiben, müsste ich meine volle Arbeitskraft diesen ja durchaus dringlichen Aufgaben widmen.“

Auch eine Reihe von Zeitzeugen berichten in Interviews über die damalige Situation von Habermas am Institut.

Als die Fachbereichgliederung anstelle der Fakultäten anstand, so berichtet Kocyba, hatten eine Reihe von Studenten und Assistenten die Vorstellung, dass die Philosophie die Soziologie brauche und umgekehrt und es natürlich schien, dass man die Fakultäten zu einem Fachbereich zusammenschließen sollte. Habermas selber schien sich zu Anfang nicht eindeutig für ein pro oder contra der Zusammenlegung entscheiden zu können, als man dann aber feststellte, dass der Fachbereich unter anderem aus der Ausbildung von Lehrern bestehen würde, war es für ihn keine Alternative mehr und er sprach sich im weiteren Verlauf gegen die Zusammenführung aus. Man sprach Habermas eine Art politischen Elitismus nie ganz ab, der unter Umständen daher rührte, dass die Lehrerausbildung schon zum damaligen Zeitpunkt stark boomte und es eine Vielzahl von Stellen zu vergeben gab, so dass zum Teil auch Oberstudienräte zu Hochschulprofessoren umgewandelt wurden. Zum anderen war die Furcht davor, dass die Philosophie von der Soziologie majorisiert werden könnte.

Allerdings wurde sein Weggang zu dieser Zeit auch mitunter sehr kritisch Betrachtet, hat sich Habermas doch maßgeblich in Gremien und als Redensführer an einer neuen Verfassung der Hochschulgesetze beteiligt und kurz nach dem diese dann verabschiedet wurden und zwei getrennte Fachbereiche für Soziologie und Philosophie entstanden verlässt er die Universität Frankfurt

Dritte Phase

Kurzbiographie

Kurzbiographie


Habermas Werke

Habermas Werke


Bilder

Bilder von Jürgen Habermas