Mannheims Studenten in der Galaxis der Frankfurter Soziologie: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. Februar 2008, 21:45 Uhr

Einleitung

Als Arbeit zur Geschichte der Institutionalisierung der Forschung und Lehre an der Universität Frankfurt und im besonderen, als Arbeit zur Geschichte des Seminars für Soziologie Karl Mannheims, möchte ich in dieser Arbeit der Frage nachgehen, welche Tendenzen dazu geführt haben, dass sich einige der Studentinnen und Studenten Mannheims, aktiv der Soziologie in der Form zugewendet haben, wie sie von Karl Mannheim vertreten wurde.

Um diese Frage zu beantworten werde ich zunächst die Dimensionen des Mannheimischen soziologischen Seminars an der Universität Frankfurt skizzieren. Als nächstes werde ich versuchen die Orbit dieser Soziologie an der Universität Frankfurt zu erforschen. Danach werde ich mich in dieser Arbeit der Frage wenden, ob Karl Mannheim und Norbert Elias auch noch als ein Anziehungszentrum bedeutend dafür gewesen sind, dass es viele Doktorarbeiten im Soziologischen Seminar entstanden sind. Zuletzt versuche ich die Anziehungstendenzen in dieser Galaxis der Frankfurter Soziologie, die diese Studenten dazu bewogen haben, sich der Soziologie zuzuwenden, zu schildern.


In den 30er Jahren ist eine lebhafte Situation der Soziologie an der Frankfurter Universität entstanden. „ Als Karl Mannheim 1930 Oppenheimers Nachfolge antrat, wurde deutlich, daß sich die Schwerpunkte des Faches von Berlin und Heidelberg nach Frankfurt, Köln und Leipzig verlagert haben.“( Habermas, 1990, S. 38, Soziologie in der Weimarer Republik). Die Frankfurter Soziologie hatte ihre Auswirkungen auf die intellektuellen Disskussionen, die nicht nur weit über die Grenzen der Universität hinausgingen, sondern auch auf die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Finanzwissenschaft, Politische Ökomonie, juristische Fakultät Einfluss hatte. “Unter dem bedeutenden Kurator Kurt Riezler entzündete sich an diesem Ort eine fruchtbare intellektuelle Spannung zwischen Geisteswissenschaftlern wie Karl Reinhardt und Walter F. Otto, dem exzentrischen Ethnologen Leo Frobenius, einem Georgianer wie Max Kommerell auf der einen Seite und einer sozialwissenschaftlich geprägten Intelligenz auf der anderen Seite“ ( Habermas, S 46) In diesem Umfeld bildet sich der Kreis um Karl Mannheim, Ludwig Bergsträsser und Gottfried Salomon-Delatour, zu dem sowohl “Norbert Elias, Hans Gerth, Julius Kraft, Walter Sulzbach und Kurt Wolff, Erich Fromm, Leo Löwenthal, Paul Massing und Theodor W. Adorno“(S. 48), als auch die Studenten von Mannheim gehörten.

Karl Mannheim ist mit seinem Werk „Ideologie und Utopie” in die sozialwissenschaftlichen Disskusionen angekommen. „ Freilich hätte diese Analyse der Seinsverbundenheit aller geistigen Gebilde, einschließlich der Wissenschaften, kaum ein so lebhaftes Echo gefunden, wenn Mannheim mit seiner Wissenssoziologie nicht den Anspruch verbunden hätte, das von Troelsch liegengelassene Historismusproblem zu lösen und die in der Dilthey-Schule entstandene Weltanschauungstypologie zu unterlaufen“ ( S. 42) Der Leiter des Soziologischen Seminar ist auch weiterhin wichtig, um die beiden Traditionslinien der deutschen Soziologie in ihrem Zusammenhang zu vergegenwärtigen: die von Max Weber und Karl Marx. Vor allen ist aber seine Bedeutung in der Entwicklung der Theoriebildung und empirischen Sozialforschung zu sehen.


Norbert Elias

"So wäre es für das Verständnis der Entwicklung der Soziologie im früheren 20. Jahrhundert gewiss nicht ohne Bedeutung, sich zu fragen, was in dieser Zeit eine ganze Reihe von Menschen, die ursprünglich andere Fächer studiert haben, dazu bewog, sich der Soziologie zuzuwenden. Ich muss mich in diesem Zusammenhang damit begnügen, auf das Problem als solches hinzuweisen. Es ist ein bisschen vernachlässigt und verdient eine eigene Untersuchung."(Elias, S.70, Autobiographisches und Interviews, 2005).

Diese Frage hat Norbert Elias in Bezug auf die Menschen gestellt, die die Arbeit der Pioniere der Soziologie fortgefuehrt haben. Wie kann man dies auf die Frage nach der Institutionalisierung der soziologischen Forschung und Lehre, die konkrete Situation der soziologischen Lehre und Forschung an der Universität Frankfurt in den 1930er Jahren anwenden, ohne dies zu relativieren?

Norbert Elias gehörte als Assistent Karl Mannheim selbst zu den Soziologen, die am „Seminar für Soziologie“ teilgenommen haben. Dass dieses Seminar sehr erfolgreich gewesen ist, zeigen die zahlreichen Doktorarbeiten, die unter der Betreuung von Elias und Mannheim entstanden sind.


Was Norbert Elias zur Soziologie trieb, war einerseits sein interdisziplinäres Interesse – er hat Philosophie, Germanistik, Medizin und Psychologie studiert und sein erkenntnistheoretisches Interesse, das der Titel seiner nicht veroeffentlichen philosophischen Habilitationschrift „Idee und Individuum. Eine kritische Untersuchung zum Begriff der Geschichte“ erkennen lässt. Der am 22. Juni 1897 in Breslau als einziges Kind wohlhabender deutsch-jüdischer Eltern geborene Elias wurde nach der Habilitation für zwei Jahre zwischen 1923/24 und 1925/26 zunächst Kaufmann, „ da das väterliche Vermögen in der Inflationszeit zum großen Teil verloren gegangen war“(Lebenslauf von Elias, Uni-Archiv). Obwohl er sich im Sommersemester 1919 in Heidelberg Seminare außer seinem schon während des Militärdienstes in Breslau begonnen Medizinstudium anhörte, vor allem aber die Professoren Rickert, Drisch und Jaspers, ging er erst nach seiner kaufmännischen Tätigkeit in einer Bresauer Eisenwarenfabrik nach Heidelberg, um über zwei grosse Arbeiten zu forschen: Zum einen über die soziologische Geschichte des menschlichen Bewusstseins und zum anderen über die Entstehung der modernen Naturwissenschaften. Beide Arbeiten sind aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung durch „die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ unveröffentlicht geblieben. Während seines zweiten Studien- und Forschungsaufenthalt in Heidelberg beginnt das Arbeitsverhältnis zwischen Norbert Elias und dem Privatdozenten Karl Mannheim an.

Schon vor Beginn seiner Lehrtätigkeit an der Universität Frankfurt stellte der als Nachfolger von Franz Oppenheimer berufene Karl Mannheim in einem Brief an den Kurator Rietzler finanzielle Forderungen fuer den Aufbau seines soziologischen Seminars. Norbert Elias bekam eine Assistentestelle als ausserplanmässiger Assistent. Die planmaessige Assistentenstelle bekam Gottfried Salomon-Delatour, Norbert Elias war jedoch der Assistent, der von Karl Mannheim vorgeschlagen wurde um die zahlreichen Doktorarbeiten zu betreuen und Mannheim in den Einfuehrungs-, Doktoranden-, und Fortgeschrittenen Seminaren zu unterstützen. Die Sommerferien verbrachte Elias in Paris um Material für seine Habilitationsarbeit „Der hoefische Mensch“ im Fach Soziologie zu sammeln. 1930

1. Mai 1930

ausserplanmaessiger Assistent am soziologischen Seminar der Universität Frankfurt am Main gegen die übliche ausserplanmässige Assistentenvergütung von 315 RM und Beschaeftigungszeit bis Ende April 1932; Aufgaben: Studienberatung und Mitarbeit an den Einfühungskursen [bearbeiten] 1932

4. April 1932

auf Antrag vom Direktor des Soziologischen Seminars Karl Mannheim wird die Beschäftigungszeit als ausserplanmässiger Assistent bis zum 30. April 1934 verlängert; Aufgaben: Studienberatung, Mitarbeit an den Einführungskursen, Verwaltungsaufgaben, Ausbau und Instandhaltung der Bibliothek und Leitung der bibliographischen Arbeitsgemeinschaft [bearbeiten] 1933

18. Februar 1933

Zulassung zur Habilitation für das Fach der Soziologie mit der Arbeit „Der höfische Mensch“, ein Beitrag zur Soziologie des Hofes, der höfischen Gesellschaft und des absoluten Königtums


7. März 1933

Zulassung als Privatdozent der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Frankfurt a.M. 1977

SS 1977

Während der Gastprofessur in Bochum hält Norbert Elias an der Universität Frankfurt a. M. Vorlesungen über „Soziologie-Marxismus-Psychoanalyse im Lichte der Zivilisationstheorie“, Kolloquium und Vorlesung, Mo abends n.V. und Di 14-15.30 Uhr.