Die gescheiterte Berufung von Golo Mann

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Ein weiterer Vorfall, der den Konflikt zwischen der WiSo-Fakultät und der philosophischen Fakultät weiterhin verschärfte, war die Berufung Golo Manns an die Wiso-Fakultät. Dieser Fall ist von Bedeutung weil er deutlich macht, wie sehr wissenschaftliche Differenzen die Beziehung zwischen den Fakultäten verschärften. Horkheimer verhinderte die Berufung gemeinsam mit dem AJC (American Jewish Committee). Im folgenden Absatz wird beschrieben, wie es zu dieser starken Intervention in die Berufungspolitik der Wiso-Fakultät kam.

Angelus Gottfried Thomas Mann, genannt Golo Mann, war das dritte Kind von Thomas Mann und seiner Frau Katia Mann. Horkheimer und die Familie Mann waren keine Unbekannten. Die beiden Familien lernten sich in der Zeit ihres Exils in den USA kennen. Thomas Mann war ein starker Gegner des Nationalsozialismus. Er engagierte sich während seiner Zeit im Exil stark für jüdische und christliche Flüchtlinge. Golo Mann studierte Philosophie und Geschichte. Er promovierte in Philosophie. Während seines Exils nahm er mehrere Gastprofessuren an, trat dann aber der US- Armee bei.

Auch nach der Rückkehr nach Deutschland hielten die Familien Horkheimer und Mann weiterhin losen Kontakt. Wie kam es, trotz der Freundschaft dazu, dass Horkheimer die Berufung Golo Manns an die Universität Frankfurt im Jahr 1963 verhinderte?

Grund für die Auseinandersetzungen ist ein Vortrag Manns über seine Antisemitismus Analysen vor dem Rhein-Ruhr-Klub aus dem Jahr 1960. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden das IFS und der AJC verstärkt auf Mann aufmerksam. Als es dann um die Berufung Manns an die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät ging, hielt Horkheimer nochmals Rücksprache mit dem AJC. Man kam zu der Ansicht, dass „Manns Essay Schaden anrichten könne, weil es der alten nazistischen Propaganda über den Einfluss der Juden in Deutschland bedeutende Zugeständnisse mache“ . Mann wurde ein heimlicher Antisemitismus unterstellt und Horkheimer verhinderte seine Berufung durch einen Anruf beim hessischen Kultusminister.

Hier stellt sich die Frage, aufgrund welcher Tatsachen Golo Mann ein heimlicher Antisemitismus unterstellt wurde. Dies führt vermutlich auf die verschiedenen Forschungsansätze Manns und des IFS zurück. Horkheimer und Adorno betrachteten den Antisemitismus als eine Krankheit der Gesellschaft. Nach dieser Deutung ist es unmöglich, dass die Opfer irgendeine Schuld trifft. Golo Mann hinterfragt in seinen Antisemitismusanalysen die historische Wahrheit hinter den antisemitischen Klischees. Diese Frage steht der These Horkheimers absolut entgegen. Hier wird dem Opfer wieder ein Teil Schuld für die Entstehung des Antisemitismus gegeben. Allein Manns Forschungsfrage identifiziere ihn schon mit dem Antisemitismus. Nach der These Horkheimers und Adornos ist eine solche Fragestellung Manns nur möglich, wenn er bereits selber mit der Krankheit des Antisemitismus infiziert war.

Eine andere Vermutung, warum Horkheimer und Adorno die Berufung Manns verhinderten, gibt Joachim Fest. Er ist der Ansicht, dass neben dem Antisemitismusverdacht die Tatsache, dass Mann homosexuell sei, eine wichtige Rolle gespielt haben könne . Zusätzlich zu den schon erwähnten Konfliktpunkten, kommt noch hinzu, dass die Denkrichtungen Manns und den Anhängern der kritischen Theorie sehr stark auseinander gingen. Mann hatte eine eher konservative Einstellung und stand der Wiederbelebung des Marxismus durch Adorno und Horkheimer sehr skeptisch gegenüber.


Quellen:

Clemens Albrecht: Warum Horkheimer Golo Mann einen „heimlichen Antisemiten“ nannte: Der Streit um die richtige Vergangenheitsbewältigung, in: Clemens Albrecht, Günter C. Behrmann, Michael Bock, Harald Homann & Friedrich H. Tenbruck: Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik – Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule, Frankfurt 1999, S. 192.

Joachim Fest: Begegnungen – Über nahe und ferne Freunde, Hamburg 2004. Angaben aus diesem Buch sind sehr fragwürdig, da keine Quellen angegeben sind.


Grabstein Golo Mann Zürich