Die gescheiterte Berufung von Golo Mann

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Ein weiterer Vorfall, der den Konflikt zwischen der WiSo-Fakultät und der philosophischen Fakultät verschärfte, war die geplante Berufung von Golo Mann an die WiSo-Fakultät. Horkheimer verhinderte die Berufung gemeinsam mit dem AJC (American Jewish Committee). Im Folgenden wird beschrieben, wie es zu dieser starken Intervention in die Berufungspolitik der Wiso-Fakultät kam.

Horkheimer und Golo Mann waren keine Unbekannten. Die beiden Familien lernten sich in der Zeit ihres Exils in den USA kennen. Auch nach der Rückkehr nach Deutschland hielten sie weiterhin losen Kontakt. Wie kam es, trotz der Freundschaft, dazu, dass Horkheimer die Berufung Golo Manns an die Universität Frankfurt im Jahr 1963 verhinderte?


Grund für die Auseinandersetzungen ist ein Vortrag Manns über seine Antisemitismus-Analysen vor dem Rhein-Ruhr-Klub aus dem Jahr 1960. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden das IFS und der AJC verstärkt auf Mann aufmerksam. Als es dann um die Berufung Manns an die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät ging, hielt Horkheimer nochmals Rücksprache mit dem AJC. Man kam zu der Ansicht, dass „Manns Essay Schaden anrichten könne, weil es der alten nazistischen Propaganda über den Einfluss der Juden in Deutschland bedeutende Zugeständnisse mache“. Mann wurde ein heimlicher Antisemitismus unterstellt und Horkheimer verhinderte dessen Berufung durch einen Anruf beim hessischen Kultusminister.


Hier stellt sich die Frage, aufgrund welcher Tatsachen dem Juden Golo Mann ein heimlicher Antisemitismus unterstellt wurde. Dies führt vermutlich auf die verschiedenen Forschungsansätze Manns und des IFS zurück. Horkheimer und Adorno betrachteten den Antisemitismus als eine Krankheit der Täter. Nach dieser Deutung ist es unmöglich, dass die Opfer irgendeine Schuld trifft. Golo Mann untersucht in seinen Antisemitismus-Analysen die historischen Wurzeln hinter den antisemitischen Klischees. Dieses Forschungsinteresse steht der These Horkheimers diametral entgegen. Für Horkheimer gilt es als ausgemacht, dass Mann mit seiner Frage den jüdischen Opfern eine Teilschuld für die Entstehung des Antisemitismus zuweist. Allein Manns Forschungsfrage identifiziere ihn schon mit dem Antisemitismus. Nach der These Horkheimers und Adornos ist eine solche Fragestellung Manns nur möglich, wenn er bereits selber mit der Krankheit Antisemitismus infiziert ist.


Quellen:

Clemens Albrecht: Warum Horkheimer Golo Mann einen „heimlichen Antisemiten“ nannte: Der Streit um die richtige Vergangenheitsbewältigung, in: Clemens Albrecht, Günter C. Behrmann, Michael Bock, Harald Homann & Friedrich H. Tenbruck: Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik – Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule, Frankfurt 1999, S. 192.