Entstehung des Streits zwischen den Fakultäten in den 30er Jahren

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Das Institut für Sozialforschung wurde am 22. Juni 1924 von Felix Weil in Frankfurt gegründet. Direktor des Instituts wurde zunächst Carl Grünberg, der 1928 einen Schlaganfall erlitt und arbeitsunfähig wurde. Nun musste ein neuer Institutsdirektor gefunden werden. 1930 fiel die Entscheidung, dass nur Horkheimer in Frage käme, da dieser bereits habilitiert und aufgrund seiner Persönlichkeit und Fähigkeiten in der Lage war das Institut zu leiten. Max Horkheimer wurde 1895 als Sohn eines jüdischen Fabrikanten geboren. Zunächst begann er im elterlichen Betrieb eine Lehre und wurde zu Beginn des ersten Weltkrieges Juniorchef im Unternehmen seines Vaters. 1919 holte er mit seinem Jugendfreund, Friedrich Pollock, das Abitur nach und begann zunächst in München Psychologie, Philosophie und Nationalökonomie zu studieren. Doch schon nach einen Semester zog es ihn nach Frankfurt, wo er sich zusammen mit Pollock ein Haus kaufte. Einer seiner wichtigsten Lehrer war der Philosoph Hans Cornelius, bei dem sich Horkheimer auch im Jahr 1925 mit einer Arbeit über „Kants Kritik der Urteilskraft als Bindeglied zwischen theoretischer und praktischer Philosophie“ habilitierte In dem Moment, als Horkheimer den Direktorenposten des Instituts übernahm, stellte sich die Frage, an welcher Fakultät der Lehrstuhl Horkheimers platziert werden sollte. Hierzu finden sich in der Literatur verschiedene Darstellungen. Diese beschreiben zwar die gleiche Situation, jedoch wird diese aus verschiedenen Perspektiven dargestellt. Vergleicht man zum Beispiel die Darstellungen von Clemens Albrecht mit denen von Rolf Wiggershaus , fallen sofort Unterschiede auf. Diese sollen im Folgenden kurz thematisiert werden. Grünbergs Lehrstuhl war an der WiSo-Fakultät beheimatet. Horkheimer hatte wohl das Interesse, dass sein Lehrstuhl an dieser Fakultät platziert wurde. Zudem wünschte er sich für sein Ordinariat die Bezeichnung Soziologie und Philosophie. Die Mitglieder der WiSo-Fakultät wehrten sich gegen die Berufung Horkheimers an ihre Fakultät mit der Begründung, dass Horkheimer in Philosophie habilitiert wäre und sich die Soziologie nur aneignen wollte, obwohl er „ von Soziologie eigentlich überhaupt keine Ahnung hat“ . Gerade Karl Mannheim wehrte sich stark gegen eine Platzierung Horkheimers Lehrstuhls an der WiSo-Fakultät. Also wurde Horkheimers Lehrstuhl an der Philosophischen Fakultät mit dem Titel Sozialphilosophie eingerichtet.

Eine andere Darstellung findet sich von Wiggershaus.:

„ Nachdem die Gesellschaft für Sozialforschung und die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät sich nicht auf einen für beide Seiten akzeptablen Nachfolger Grünbergs auf dem mit dem Zeitpunkt der Emeritierung freigewordenen Lehrstuhls hatten einigen können, den die Gesellschaft für Sozialforschung dann auch als Nachfolger Grünbergs in der Leitung des Instituts akzeptiert hätte, war man zu folgendem Kompromiss gelangt: die Gesellschaft für Sozialforschung finanzierte der WiSo-Fakultät den mit einem ihr genehmen Kandidaten besetzten Grünberg-Lehrstuhl weiter, bis eines der übrigen Ordinariate der Fakultät frei wurde. (…..) Der philosophischen Fakultät wurde ein neuer, mit der Institutsleitung verbundener Lehrstuhl gestiftet, auf den Ende Juli 1930 Horkheimer berufen wurde. (…..) Allerdings hatte die Philosophische Fakultät darauf bestanden, dass der Lehrstuhl nicht als einer für Philosophie und Soziologie, sondern bescheidener als einer für Sozialphilosophie eingerichtet wurde.“

In diesem Vergleich wird die Problematik deutlich. Es ist schwer die Wahrheit zu finden, da alle Protokolle und Berichte aus der Perspektive eines bestimmten Betrachters dargestellt werden. Dies bedeutet, dass alle Berichte subjektiv beeinflusst sind. In den folgenden Abschnitten sollen immer wieder die Aussagen beider Seiten miteinander verglichen werden.

In diesem Konflikt sieht Albrecht den Ursprung für den Streit der Fakultäten. Auffällig ist, dass es hier zum ersten Mal zu Interventionen in der Berufungspolitik der Universität kam.

Dies ist also der Ursprung des Streits. Jedoch kam es bald darauf, aufgrund des dritten Reiches, zur Emigration vieler Professoren. Am 30. Januar 1933 wurde Hitler zum Reichspräsidenten ernannt. Noch am selben Tag wurden Horkheimers und Pollocks Haus von einer Sturmtruppe der SA besetzt. Schon bald darauf flohen die meisten Mitglieder des IFS in die Schweiz, hielten anfangs aber weiterhin ihre Seminare an der Universität. Der letzte Mitarbeiter des IFS, Leo Löwenthal, verließ am 2. März 1933 Frankfurt und floh in die Schweiz. Knapp darauf, am 13. März, kam es zu einer Durchsuchung der Geschäftsstelle des Instituts durch die Polizei. Die Räume wurden daraufhin einem nationalsozialistischen Studentenbund zur Verfügung gestellt. Nur kurze Zeit später kam es zur Entlassung aller jüdischen Professoren. Obwohl die Emigranten in Genf eine neue Geschäftstelle des Instituts gründeten und auch noch einen Sitz in Paris errichteten, blieb die Lage weiter angespannt. Zum einem machte den Emigranten die Nähe zum nationalsozialistischen Deutschland und zum faschistischen Italien Sorgen. Zum Anderen war die Schweiz gegenüber den Emigranten sehr reserviert. Nur Horkheimer erhielt eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Außerdem kam man übereinstimmend zu der Erkenntnis, dass der Faschismus in Europa auf dem Vormarsch war und die Flüchtlinge entschlossen sich zu einem Umzug in die USA. Horkheimer ging Anfang 1934 als erstes nach New York, doch schon im August des gleichen Jahres war das Team wieder vollständig. Auch Fromm, Pollock und Löwenthal trafen in New York ein. Sie gründeten in New York das Institute of Social Research an der Columbia University. Adorno kam erst 1938 nach New York. Vorher war er in Oxford, wo er sich auch habilitierte.



Quelle

Vgl. Vortrag Clemens Albrecht: "Der Streit der Fakultäten: Die Linken gegen die Rechten – oder doch etwas mehr? Anmerkungen zur Soziologie in Frankfurt", Frankfurt am Main, 31. Januar 2008.


Rolf Wiggershaus: Die Frankfurter Schule – Geschichte – theoretische Entwicklung – politische Bedeutung, München 1988.