Glatzer-Interview
Fehmi Akalin: äh also in unserem Lehrforschungsprojekt Soziologie in Frankfurt beschäftigen wir uns mit der Entwicklungsgeschichte und der Konsolidierung der Forschung und Lehre an der äh, Frankfurter Uni. Und zwar seit der Gründung als Stiftungsuniversität 1914 bis in die äh 70iger Jahre. Äh Frau äh Wendt beschäftigt sich dabei mit Kracauers Werken als äh (.) wie soll man sagen, soziologisch interessierter Feuilletonist und untersucht, beleuchtet dabei das Wechselverhältnis zwischen der Frankfurter Soziologie und der außerakademischen Kunstkritik (.) äh Kulturkritik, Kunstessaistik. Frau Merget beschäftigt sich mit der Beschäftigungs äh Politik ab 1945, glaube ich(.)
Nina Merget: ja
FA: und äh,(.) untersucht dabei die äh Vorlesungsverzeichnisse im Hinblick darauf (.) in welchen Fakultäten soziologische Seminare angeboten wurden. Herr Hesse beschäftigt sich mit äh Habermas äh Zeit in Frankfurt als Soziologe von ´59 bis äh ´71 (.) und äh, ich darf dir das Wort übergeben (.) und Sie haben sich freundlicher Weise bereit erklärt uns als Zeitzeuge und Experte äh einen Einblick zu gewähren in eine, eine wichtige Phase der Entwicklungsgeschichte der Frankfurter Soziologie.
Wolfgang Glatzer: ja das ist ja sehr verschieden, was Sie interessiert, ne
└FA: richtig
WG: (.)(?) was mir in Erinnerung geblieben ist.
FA: ja, äh gut. Fangen wir an. Bitte (.)
Victoria Wendt: ok. Zu aller erst kommen wir nochmal zu ihnen persönlich und zwar ähm, hatte ich mal nachgeguckt, Sie haben ja Abitur in Oberfranken gemacht (.) und meine Frage wäre jetzt ähm, zuallererst, wie ist es denn gekommen, dass Sie ausgerechnet nach Frankfurt gekommen sind zum Studieren?
WG: (.) Ich hab in der Zeitung ´n Artikel gelesen über Frankfurter Studenten oder äh das Frankfurter Studentenleben, und das fand ich so interessant äh, das ich äh, dann den Entschluss gegen den Willen meiner Eltern und allen, aller Menschen die es da gab auf dem fränkischen Dorf (.) mich entschlossen habe nach Frankfurt zu gehen. Ich hatte allerdings im Vorhinein auch versucht in Darmstadt äh in Architektur anzukommen, aber das war soo überlaufen, (.) und das habe ich nicht geschafft,damals.
VW: und ähm, können Sie sich noch erinnern was da jetzt genau drin stand in diesem Artikel, also was wars denn was Sie da so überzeugt hat, unbedingt nach Frankfurt zu gehen, was war das Besondere was da drin stand?
WG: (..) also hab ich keine deutlich Erinnerung, mehr aber (.) äh, das hing schon mit Protest und gesellschaftlicher Veränderung usw. zusammen, ne. Wann muss´n das gewesen sein? 1962, 63 äh ungefähr,ne. (.) also die ersten Anzeichen der Studentbewegung gabs da ja, und darüber (.) muss dieser Artekel äh, gegangen sein. (.)
VW: ok. (.) und ähm, welche Fächerkombination haben Sie dann studiert? (3)
FA: bzw. warum ähh, überhaupt Soziologie, wie kamen sie zur Soziologie
└VW: @das wäre dann die nächste Frage, ja@
WG: Also mein Drang nach etwas neuem war so stark und äh, da gabs nicht viele Fächer
└FA: mmhmm,(.) ah, ja
WG: / wenn man was Ungewöhnliches machen, ähmm, wollte (.) und sich entschlossen hat vom Dorf weg, ne, ich bin ja auf nem 300 Seelen Dorf äh großgeworden und äh, bin nach Frankfurt äh gegangen,ne. Und dann kann man eigentlich nicht ein ganz traditionelles Fach machen, sondern sucht etwas Neues. Aber ich hab das auch so verstanden, dass ich das mal ausprobier, Soziologie zu studieren, ne und äh, und als ich dann bei Adorno mal innn einem Seminar saß und der gab mir für ein Referat ne 1, hab ich gedacht, ich bin der geborene Soziologe ,@( . )@ ne und äh(.) bin dann dabei geblieben und (..) das war ja auch keine falsche Entscheidung.
FA: ja
WG: sag ich wenigstens, vielleicht (.) sagen andere @es war eine falsche Entscheidung@ (..)
FA: äh da gabs aber auch äh zwei Fakultäten einmal äh die Wirtschaftswissenschaftler und dann die Philosophen, wenn Sie sagen, Sie haben bei Adorno ein Referat geschrieben ähh, aber wenn man sich ihre Entwicklungsgeschichte ansieht äh, würde man ja vermuten, dass Sie erst ähh bei den Wirtschaftswissenschaftlern ähh, Fuß gefasst
└WG: ja da war ich auch die ganze Zeit, ich war an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ähh, eingeschrieben. Warum, weiß ich gar nich mehr, äh (.) so genau. Die Trennungen waren auch nich (.) äh, besonders stark.
FA: achso
WG: ne, das eher beiläufig, obwohl das viel viel kleiner war (.) die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, aber da waren ja auch berühmte Namen, ne, wie äh Tenbruck
└FA: Tenbruck
└WG: und äh später Zapf (.)
└FA: Zapf
WG: ja Rüegg war auch da, aber der war, gehörte nicht so zu den attraktiven (..) äh (.) Lehrern, Lehrenden. (3)
FA: ja (.)
WG: (2) also ich hab dann auch dort mich äh, stark in der Fachschaft engagiert und wir waren sozusagen immer die kleinen und schwachen, verglichen mit den...mit der großen Philosophischen Fakultät, die die Proteste angeführt hat, aber wir haben auch immer (.) nen Wörtchen mitgeredet. (3)
//mhmm//
VW: Sie haben vorhin gesagt, Sie haben sich gegen den Willen ihrer Eltern entschlossen nach Frankfurt zu kommen um hier Soziologie zu studieren(1) ähm (.) was, warum waren denn die Eltern denn so dagegen, also was hat denn das für die Eltern bedeutet wenn der Sohn nach Frankfurt geht und Soziologie studiert?
FA: sieh haben den Artikel wahrscheinlich auch gelesen. (.) die Eltern
//schmunzeln//
WG: nee, glaube ich nicht...äh. meinee(.) Eltern waren Bäcker und äh, die hatten keinerlei Beziehung zur Uni. Und vielleicht hab ich übertrieben, wenn ich sachte: gegen den Willen der Eltern @weil ich den Satz gestern@ (.) zweimal gehört hab, von Studenten ähh (.) hier (.) also sozusagen, dass war nicht mit der Zustimmung der Eltern ne, iss schwächer, also die hatten da keine Beziehung dazu und hatten auch Angst, dass äh man damit nicht Leben kann (.) nicht sein Brot verdienen kann, ne, was ist Soziologie? ne das ähh gab überhaupt keine Vorstellung (2) damals davon
└NM: Ich wollt grad sagen, dass so (1) keine Ahnung, hätten Sie jetzt in Darmstadt Architektur studiert, hätten Sie zumindest (.) kann ich mir vorstellen, so als Eltern, so ok. das ist ein Berufsziel. Als Architekt (.) Der macht was /
WG: / ja ein Berufstudium hätten man gesagt /
NM: / der baut Häuser, oder konstruiert Häuser, aber als Soziologe (.) was macht man da?
WG: ja (.) ja (?) man ja auch noch immer, vor allem die großen Tiefbauten imponieren mir immer noch, die hätte ich gern auch ab und zu (.) äh gebaut. Oder die Stadien oder so (.) @jetzt bin ich halt Soziologe@, ne.
VW: und ähm, können Sie sich dann noch erinnern, wie die Soziolgie damals vielleicht in Oberfranken, ich weiß nicht, oder auch hier generell außerhalb der Universität, wie wie sie wahrgenommen wurde, in der Öffentlichkeit?
WG: (3) als etwas exotisches, ähh, was da äh halb im Verborgenen blüht und was nur wenige zur Kenntnis genommen haben, also da, jedenfalls in Franken damals ne, gabs, hatten die Menschen keine Vorstellung von Soziologie. Ich entsinn mich noch dass mich einer ma fragte, äh was machen Sie? Und da hab ich gesagt Soziologie. Und dann hat er gesagt. Ach wie schön immer mit Tieren.
//Gelächter//
WG: Das war die Vorstellung von (.) Soziologie äh damals.
VW: Und als Sie dann hier in Frankfurt waren, wie wie war das hier haben Sie da irgendwie mitbekommen, wie wie Frankfurter außerhalb der Universität die Soziologie wahrgenommen haben?
WG: ja es war schon ´n Problem als Soziolge Wohnungen äh zu finden ne und äh @ich hab immer gesagt dann@ ich bin Ökonom. Weil im Nebenfach war ichs ja ne, also wenn man sagte man war Soziologe äh war schon ganz schlecht äh von Vermietern dann ne Wohnung zu bekommen.
VW: warum?
└FA: weil die wahr-:ja
└WG ja weil die als Links ähh und ähhm ne also äh wie unser Turm äh, ne sieht ja auch ein bißchen schwierig aus an manchen Stellen, so wurde das verallgemeinert. Das sind die Soziologen äh die die diese Umweld äh, etwas negativ gestalten, ne.
VW: ok
FA: Dieses behauptete äh problematische Verhältnis zwischen marxistischen Soziologen auf der einen Seite und den bürgerlichen Soziologen ist das eine nachträgliche äh (.) Beschreibung der Verhältnisse das, oder kann man sagen, dass die Beteiligten damals das auch schon so gesehen haben? (.) dieses Spannungsverhältnis?
WG: Also ich fand die marxistischen Soziologen nicht so ausgeprägte äh Marxisten wie´s äh heute dargestellt wird. Zum Teil kenn ich die ja noch ne der ähh (?) Wolf und der Frank Wolf und äh diese Leute ne, waren eigentlich ganz umgänglich ne=nich ähh übertrieben (.) radikal
└FA: also genuine Marxisten haben ja sogar die äh Frankfurter äh Vertreter der Frankfurter Schule als ähh bildungsbürgerliche Linksintellektuelle bezeichnet und ähh (.) also (.)
WG: (.) und dann gabs ähh auch Soziologie Studenten die waren CDU-Mitglieder, ne also nicht viele, aber ein paar gabs mit denen haben wir uns in der Fachschaft oft ähh gestritten (3) also das war relativ maßvoll und hat sich dann eigentlich gesteigert halt bis äh 68, ne bis (.) äh dann immer mehr Leute abgesprungen sind, wie ich auch, weil ich die Besetzung des Instituts für Sozialforschung nicht mehr verstanden hab, ne wie ähh, kann das sein, ne das man sozusagen die eigene Grundlage da
└FA: torpediert
└WG: äh, die interlektuelle Grundlage äh torpediert, ja.
VW: aber in der Öffentlichkeit, war war diese Spaltung nicht bekannt. Weil Sie ja gesagt haben, als Soziologe, hat man von vornherein Schwierigkeiten gehabt eine Wohnung zu bekommen, weil man wurde ja gleich der linken Szene zugeschrieben. In Wirklichkeit war es ja gespalten in bürgerlich und marxistisch ,aber das war in der (.) war das in der Öffentlichkeit irgendwie bekannt, oder haben die gleich alle über einen Kamm geschert
└WG: nee, so haben die das auch nicht äh wahrgenommen, also ähm ich entsinn mich bei einem Vermieter ähh da äh hat er mich dann gefragt, ob ich nicht links (.) den linken Flügel der CDU wählen könnte, ne und dann hab ich ne, dann hab ich gesagt: ja, ne und @dann hab ich die Wohnung äh bekommen@, ne. So auf dieser Ebene lie::f: das halt äh, ab und das war glaube ich nicht unge- also ich kann nicht beurteilen wie oft das äh eigentlich äh passiert ist in in dieser in dieser Weise, ne aber das die Vermieter kontrollieren wollten das nicht äh eine linke Gruppierung ihr Haus äh äh besetzt oder bekommt äh (.)
VW: und haben Sie irgendwie vielleicht ne Vermutung warum der Vermieter so dagegen war?
WG: (3) ja, also den Vermietern war damals, so weit ich das noch in Erinnerung hab, wichtig das sie ihre Einnahmen garantiert bekamen, also ähh, ich muss unterschr- immer Unterschriften von meinen Eltern auch beibringen ne, das die äh im Notfall bereit äh waren äh das mit äh zu tragen äh und ansonsten hatten die Angst das da bestimmte äh Gruppen, die nicht so sich an die Konventionen halten (.) halt äh aktiv äh werden. Und das hatte, hat auch seine gewisse Berechtigung, ne. Später hatte ich äh eine äh ein kleines Zimmer dann hier hinten äh in der Jungstrasse ((zeigt aus dem Fenster)), ne. Da gabs ne Toilette und vier Zimmer und äh niemand hat die Toilette geputzt, ne (.) äh, ne es ist vereinbart das die ähh vier Leute die Toilette selber putzen und es putzt sie keiner mehr, ne weil, also äh das ist jetzt @ sozusagen etwas fern von der Soziologie@ aber es ist ein Alltagsproblem ne wie komme ich zu einer äh halbwegs sauberen ähh Toilette ne und das hat niemand mehr ernst äh genommen damals, oder viele haben es nicht mehr ernst genommen, ne das man halt so etwas auch pflegen muss
//mhmm//
NM: und war diese Spaltung in ähm ja in die- auch bei selbst bei den Professoren selbst deutlich. also dass es nicht nur Studentengruppen gab sondern eben auch bei den Professoren?
WG: (2) jjaaa, ne (.) also äh die Professoren bei den Wirtschaftswissenschaften waren ja deutlich konservativ, der Rüegg, Tenbruck ne, Zapf dann später auch(.) ähm
└FA: Luckmann
WG: ähm Luckmann, genau der kam auch noch (..) ähm (1) und an der philosophischen Fakultät, na ja des, da war ein bißchen...das Reden von Adorno schon sehr links war, ne, wenn man die Soziologentagsrede da betrachtet und so, aber im faktischen Handeln dann hat´s sich halt nicht so stark umgesetzt. (1) Und Friedeburg hab ich immer als den großen Vermittler äh wahrgenommen, ne, äh, der immer versucht hat Ausgleich zu schaffen und nicht so sehr die eigene Position (.) äh artikuliert hat.
NM: interessant
FA: ja er steht ja auch auf unserer Liste für die zweite Phase
└NM: ja ganau, ich bin da auch dabei beim Interview
└FA: Sie sind dabei? mhm
└NM: das heißt das kann man ja dann auch fragen, also ob er sich da selbst auch so in der Rolle gesehen hat, oder-
└WG: na er wurde ja später Minister, so das war ja weit vor seiner Minister=ähhh Rolle (.) aber das ist ja ewig lang her, da kam noch 1952, glaube ich ne, hat Friedeburg ungefähr in dieser Größenordnung die Professur hier äh bekommen (( Zustimmung aller)). Er hat also länger als irgend jemand sonst ähhm hier mit gewirkt und mit gestaltet.
NM: Und wir hatten ja jetzt ähh, also Sie haben ja eben schon so gesagt, dass bei der WISO zumindest ähm, so Zapf und ja so Koryphäe-waren-Leute zu denen man in die Vorlesung zumindest mal gehen musste und gabs da noch andere, also grad jetzt auch an der philosophischen Fakultät außer Adorno natürlich, aber (.) wo es schon unter den Studenten auch so hieß, ok. da muss man mal gewesen sein
└FA: Habermas könnte ich mir auch vorstellen, dass er da sehr populär war.
WG: Naja da hat man ein bißchen was von dem Streit ja schon mitbekommen zwischen Habermas und Adorno ne, und ich denke doch auch Habermas war damals (.) äh ein paar Jahre wegging ähh (.) ,ne ich habs nicht mehr genau in Erinnerung äh
└FA: '59 ist er wieder gegangen
└WG: aber als er dann wieder kam waren natürlich sehr viele Studenten äh bei ihm und das war mir aber zu überladen, also zu Habermas habe ich äh äh keine größere Beziehung, ne. Ich hab ihn mir mal angehört //mhm// aber ich hab keine größere Beziehung zu ihm ähh entwickelt. Auch weil ich ihn so fast nicht verstehe, wenn er //ja// weil er so halt diese Sprachprobleme //probleme hat ja// hat, ne.
//ja mhm//
VW: Und was für Seminare haben Sie so besucht, so jetzt schwerpunktmäßig in der Soziologie, können Sie sich da irgendwie entsinnen?
WG: (3) Also erstes Semester war bei Bellebaum (.) was haben wir da gemacht? (3) Kleingruppenforschung, oder solche Themen gabs da halt, ne. Bei bei Adorno das war´n die großen ähhm Autoren in der Soziologie //soziologischen Theorie//, ne. Also von Spencer den ich damals gemacht habe, über Marx, Weber und so weiter, ne, sind wir da alle Autoren durch gegangen und das war ähh im großen Hörsaal mit 800 Leuten (.) und das wusste ich natürlich auch nicht, wenn man da als Student sich für´n Referat gemeldet hat, das man da plötzlich vor 800 Leuten äh vortragen soll, ne, (.) un- das hab ich mit ziemlich viel Angst und @bangen da überstanden@.
FA: Ja, gabs denn auch so was wie ähh, Frankfurter Soziologen, die behandelt wurden als soziologischer Theoretiker, das man eine Tradition fortführen wollte, oder hat man sich gänzlich ähh von diesen, von Mannheim meinetwegen oder von Oppenheimer gar nicht beeindrucken lassen was die äh wissenschaftlich geleistet haben?
WG: Ja, ich find die eigene Geschichte ist wenig beachtet worden damals, also weder Oppenheimer noch Mannheimer, auch nicht Elias ne, der dann Mitte der 70iger Jahre weltberühmt geworden ist und die größten Auflagen überhaupt hatte, die ein soziologisches Buch äh gehabt hat, ne äh all die sind äh weitgehend ignoriert worden und dann aber später immer wieder so wie jetzt in ihrem Lehrforschungsprojekt (2) von mir aber auch von ein paar anderen aufgenommen worden, ne.
FA: äh,hatte das mit der Selbstprofilierung der Frankfurter Soziologie zu tun, dass man äh den Orginalitätswert der Frankfurter Soziologie äh mit diesem (.) mit dieser äh Garde betonen wollte?
WG: (.) ja also, ich hätte den Eindruck das man versucht hat den eigenen soziologischen Ansatz äh immer besonders deutlich in den Vordergrund zu stellen und potentielle Konkurrenten zu ignorieren, den Eindruck äh hatte ich, ne. Aber äh also, wenn man das nicht so gesehen hätte, hätte man ja auch gewinnen können damit, das man den Oppenheimer oder den Mannheim oder (.) äh auch andere,ne, wieder mit einbezogen äh hätte und als äh Vorfahren die partiell auch interessante Theorien beigesteuert haben akzeptiert hätte,ne. Das ist wenig erfolgt, denke ich.
VW: Ich hätte ganz kurz mal eine Frage, was jetzt speziell mein Thema betrifft: können Sie sich denn erinnern ob da irgendwie mal Kracauer erwähnt wurde, grad vielleicht auch von Adorno?
WG: (2)äh, Kracauer sagten Sie?
VW: mhm, Siegfried Kracauer
WG: Ja, jaja also ähm der wurde erwähnt meiner Erinnerung nach, aber die Zusammenhänge habe ich vergessen in ähh welcher Form... Es wurden auch andere mal- also äh Stellungnahmen gegen Karl Mannheim von Adorno habe ich im Kopf, aber ich hab die Inhalte,ne, ist zu lange her ähäh weiß ich nicht mehr.
VW: Können Sie sich erinnern ob Adorno Kracauer erwähnt hat, oder ob das jemand anders war?
WG: ne Adorno denke ich, war der einzige der ihn erwähnt hat.
VW: war ist nem positiven oder oder negativen also verwerflich oder zustimmenden Zusammenhang? Wissen Sie das zufällig noch?
WG: Hab ich nur noch ein Gefühl das es ein leicht positiver Zusammenhang war.
VW: ok.
FA: äh, wie haben Sie eigentlich die Umstellung der Fakultäten äh auf Fachbereiche als Student erlebt, also als Verbesserung oder als Verschlechterung?
WG: also ähäh ich hab ja kurz vor der Umstellung mein Studium beendet, ne deswegen kann ich- hab ichs als Student nicht mehr erlebt (.) und (.) und bin auch (.) äh danach ja in ein Projekt gegangen was der damalige Präsident Krupp äh geleitet hat //mhm// und äh gar nichts mehr mit den Gesellschaftswissenschaften //mhm// im engeren Sinn äh zu tun gehabt hat, also grad für diese Zeit kann ich sehr wenig (.) äh sagen, ne (.) fehlt mir die äh, die eigene Erfahrung. Ich kannte zwar die Leute alle die da tätig waren, aber es gab da eigentlich (.) keine größere Beziehung dazu.
FA: Sie haben ihr Diplom, glaube ich 72 gemacht? Kann das sein.
WG: ´71 oder ´72. Ich denke eher ´71 noch. Aber ganz /
Tobias Hesse: / ´72
WG: 72?
((Geschmunzel))
WG: (2) Wo steht dasss?
TH: ich weiß gar nicht wo genau. In den Unterlagen
└VW: aus dem Lebenslauf auf ihrer Homepage.
WG: ja.
TH: ich würde noch äh zu vor-, während ihres Studiums ähh, die ´68iger die Studentenrevolution oder die Studentenbewegung hat Sie das äh beeinflusst während ihres Studiums, während ihren Arbeiten (.) in irgendeiner Form?
WG: ja,ja ich hab mich eigentlich in den ersten Jahren ((Telefon klingelt)) voll damit identifiziert (.) und äh dann später aber distanziert als mir das halt äh äh zu weit ging wie mit der Besetzung des Instituts für Sozialforschung, ne. Das war so der Bruch eigentlich bei mir dann äh damit, ne. (ich geh dann mal)
((Er telefoniert kurz.))
WG: also (.) @wo war ich?@
└NM: das bei ihnen der Bruch war
TH: bei der Studentenbewegung
WG: eh ja, (2) ja da waren auch ähm, so andere Erlebnisse, ne. Da gabs den Jürgen Krahl, Hans Jürgen Krahl, ne. Das war einer der größten Studentenführer, der hatte eigentlich am meisten äh zu sagen mehr als die SDS Vorsitzenden äh und so weiter (.) und (.) der hat dann in der Nachfolge von Adorno den Herrn Baier nach Frankfurt (.) äh geholt ,ne und (.) den haben alle linken ähh Studentenführer als einen äh Linken gepriesen und das war ein ganz konservativer Mensch, ne und ich hörte ihn reden und äh mir war völlig klar, der ist außerordentlich konservativ ähm und die Studentenführer erzählten uns aber ähh das ist ein Linker der unsere Traditionen fortführt und und uns besonders viele Zugeständnisse macht
└FA: Was steckt dahinter?
└WG: Ne und solche Ereignisse waren auch bei mir dann so (.) .:das das kann es doch nicht geben wie können die jemand der konservative Publikationen hat und so weiter ich hab ja gar nix dagegen gehabt, dass der eventuell kommt, ne, aber wie man den so fehl darstellen kann, also solchen Etikettenschwindel machen kann, das hab ich hab ich bis heute nicht verstanden, ne.
└NM: Wobei dann ja auch dann praktisch so die, ja ok, jetzt unterstell ich den Leuten 'n bißchen ähm Naivität aber ähm ob das wirklich 'n bewußter Etikettenschwindel war oder ob Sie selbst vielleicht sogar wirklich davon überzeugt waren (1) das er eben (1) ( )los ist.
└WG: Das weiß ich nicht ne, also wenn die äh wenn sozusagen die Stars der Linken Bewegung sich so verschätzen äh in Personen (3) also äh das kommt öfter vor, das hab ich auch in anderen Zusammenhängen erlebt, ne, dass Personen völlig falsch wahrgenommen //ja// werden von ähm wichtigen Bezugspersonen. Das kommt anscheinend vor und äh was da der Hintergrund war, kein Mensch kanns heute mehr aufklären, weil der Krahl ja kurze Zeit danach bei nem Autou-: //unfall ja// -unglück ums Leben gekommen ist, ne
└NM: °gestorben ist.° (1) ja (2)
TH:Mich würde noch interessieren, haben Sie Habermas in der Zeit der Studentenbewegung in irgendeiner Form mitbekommen (.) da gabs ja dann auch äh Probleme weshalb er dann auch gegangen ist (.) haben Sie da irgendwie Erinnerungen noch?
WG: (2) Also da ich mich nach der Besetzung des Instituts ja davon distanziert hab, hab ich auch äh nicht mehr so Anteil gehabt an dem was dort äh passiert. Ich hab den Habermas immer sehr eng mit Friedeburg äh verbunden was Abstimmungsverhalten und äh also in den Gremien wurde wurde ja dann berichtet, ne wer hat äh wie im Senat äh gestimmt und so weiter dort äh fand ich, dass die immer ganz nah beieinander äh lagen und was er für Ärger gehabt hat äh weiß ich nicht äh das ist mir unbekannt und ich hab mir viel später hat er mich mal geschimpft wegen seiner Frankfurter Probleme, wirklich ordentlich äh geschimpft und äh ich wußte von nichts und konnte auch nichts dazu, ne.
FA: Schon wieder ein Wahrnehmungsproblem.
WG: Ja (.) ja.
FA: Haben Sie eigentlich die Zuordnung der Lehramtsausbildung zum Fachbereich 03 noch mitbekommen? War das ein Politikum (2) °damals°?
WG: Nee ich hab die Forderungen äh sehr oft gehört in meinem Studium und später das die Lehrer einen akademischen Abschluss bekommen sollen ähm aber das wie das passiert ist äh wei-: hab ich äh nichts mitbekommen davon.
FA: (3) Und äh dann noch äh die das Verhältnis äh der Soziologie und Politologie zwischen den Soziologen Politologen am Fachbereich 03.
WG: Jaa?
FA: (1) Äh war das schon von Anfang an äh konfliktträchtig? (3) Warum haben, also kann man ja äh heute auch äh das Gefühl das äh die Politologen mehr zu sagen haben als die Soziologen wenn es um die Besetzung von äh wichtigen Posten geht.
WG: Naja früher war das anders also die Politologen haben eine sehr geringere äh äh Rolle gespielt und ich denke das hatte damit zu tun, dass die doch stärker von der AFE äh der Abteilung für Erziehung her kamen, ne (.) also ich äh (Schempiel) und so ne ich hab da das auch nicht präzise äh im Kopf äh die kamen doch v-: glaub ich von der Abteilung für äh Erziehung und (4) also ich hab äh in meinem Soziologiestudium die Politologen überhaupt nicht als relevant äh wahrgenommen.
└FA: Wahrgenommen
└WG: Äh muß ich sagen und dann haben die sich später gerecht //ja// @hier@.
└FA: °So ist es.° ( ).
└WG: Und äh trumpfen jetzt äh auf, aber das ist ja immer noch ein Scheingetöse was sie da machen,ne (.) weil die Mittel werben ja immer noch die Soziologen an und die großen äh Prüfungsleistungen und so weiter machen auch die Soziologen und nicht die Politologen.
FA: Wer hat damals eigentlich die meisten Projekte so an Land gezogen, die äh Wirtschaftswissenschaftler oder die äh Philosophen also was man jetzt die die soziologische äh Abteilung da (2) °in ( )°
└WG: Also damals wußte man überhaupt nichts über Projekte muß ich sagen. Ist mir im Studium überhaupt nicht aufgefallen äh ne, während jetzt ist ja ein Großteil äh (1) der äh am Fachbereich Tätigen kommen ja über Projekte, ne. Bei mir allein zwölf Leute, ne äh das (3) da kann ich mich nicht entsinnen (3) also als ich später in den Sonderforschungsbereich drei kam. Ne (.) das war ein großer Forschungszusammenhang der von der DFG äh gefördert wurde. Das war eigentlich das erste Mal, dass ich auch richtig mit DFG-Projekten in Kontakt kam.
FA: War das unter der Federführung von Glatz-: äh von Glat-: äh von Herrn Zapf °damals°?
WG: Ja eigentlich Krupp ne der
└FA: Krupp mhm
└WG: Unipräsident Krupp und äh die haben sich zusammen getan, ne //mhm// aber bei der DFG zählt ja immer nur einer der letzten Endes unterschreibt dann war das, war das Krupp aber also intellektuell äh haben sie das im gleichen Maße beeinflusst.
FA: Mmh. (3) Dann äh ergab sich die Fragestellung warum Sie dann nach Mannheim gegangen sind äh hing das mit Zapf zusammen?
WG: Ja.
FA: °Das° weil er ja auch nach äh Mannheim gegangen?
└WG: Ja also die Ortswahl hing sicher mit Zapf zusammen aber das man die Uni mal wechseln muss ne das ging ja wie heute auch, man kann nicht an der selben
└FA: Ja stimmt
└WG: Äh Universität äh bleiben ne man in der Regel darf man auch gar nicht berufen (.) //mhm// werden //( )// Also das ich hier bin, ne (.) ging nur auf Grund äh (1) der vorrübergehenden des vorrübergehenden Weggangs.
VW: Da wär dann auch noch gleich ne Frage von mir, wie kommt es denn eigentlich, dass Sie überhaupt direkt nach Frankfurt wieder zurückgekommen sind und auch hier geblieben sind, also Sie hätten ja zum Beispiel auch nach Hamburg oder nach Berlin gehen können. Also gerade Berlin war ja auch ne ähnliche Bewegung gewesen.
WG: (2) Ja (.) also das ist eigentlich einfach ich glaub jeder Student äh träumt davon mal die Position der Professoren @zu@ haben bei denen er studiert, ne (.( Also so gings mir und als hier ne Stelle ausgeschrieben war und ich mich beworben hab und es hat gleich geklappt fand ich optimal,ne.
VW: Also es ist schon von vorn herein ne Verbundenheit zu dieser Universität da gewesen und man konnte dann halt dann auch das Motto der Uni vertreten.
└WG: Ja ich wär am liebsten wieder nach Frankfurt äh zurückgegangen (.) äh ja ich wollt auch nicht mehr weg dann äh von hier ne also °ich° hätt hätt ja auch äh noch mehrfach wechseln können (3).
FA: Äh als Sie angefangen haben zu studieren äh war das für Sie von Anfang an klar, dass Sie im universitären Bereich äh Fuß fassen wollten im akademischen Bereich
└WG: Nee, überhaupt nicht. Überhaupt nicht. Ich hab meine äh Studien und dann später die Berufstätigkeit und die Publikationen immer so angelegt, dass ich mir möglichst viele Optionen offen hielt und hab das äh also in den Einstieg in äh ne Professur nur als äh Randmöglichkeit äh gesehen,ne. Und das das dann geklappt hat war halt äh war halt schön. Würd ich eigentlich jeden heut auch wieder empfehlen, ne weil das halt wirklich Zufall ist ob man auf ner Professur äh landet oder nicht, ne. Und äh also mit der Ausdauer mit der das manche betreiben, dass man 50 wird oder 55, ne bis man ne Professur bekommt, das wollt ich auch nicht.//mhm mhmh// (1) Also ich hätte in so Einrichtungen wie ZOMA oder Wissenschaftszentrum Berlin oder so hätt ich mir eine Position gesucht, wenn ich nicht nach Frankfurt gekommen wär.
VW: Da wären Sie nach Berlin gegangen möglicherweise.( )
└WG: Ja nein deswegen frag also weils dort ähm ne also halt das dieses Wissenschaftszentrum gibt was äh Stellen hat unterhalb von einer Professur ne das ist ja immer die Voraussetzung dann °ne° und äh die gibts auch nicht so oft, ne. Also die Professuren gibts selten und die Stellen unterhalb einer Professur (1) äh gibts auch eher selten.
FA: (3) Äh haben Sie das in Kraft treten des äh äh hessischen Hochschulgesetzes 1970 noch äh mitbekommen bzw waren Sie davon äh in irgendeiner Weise betroffen?
WG: (4) Also das war gerade so die Zeit wo ich anfing mich um mein Diplom äh
└FA: Richtig
└WG: äh zu k-: äh kümmern und ähm ich hab nur den großen Streit um die Änderung der Zusammensetzung der Fachbereichsräte und der anderen Gremien äh in Erinnerung (.) war da aber selber nicht äh wesentlich beteiligt.
NM: (6) Dann also was mich auch noch so interessieren würde ist dann jetzt eher so in die Zukunft also ähm Sie ar-: also bereiten ja den Soziologentag 2010 hier in Frankfurt auch vor und ähm also Frankfurt hat ja so diesen historischen Charakter also gerad mit den Soziologentagen 1910 der Erste dann der 46 der Erste nachm Zweiten Weltkrieg dann 90 nach der Wiedervereinigung und so 'n weiß nicht also sehen Sie da 2010 außer das natürlich das 100jährige Jubiläum ist vielleicht auch irgendwie so als irgendeinen markanten Punkt oder?
WG: (4)Na das hat sich ja oft im Nachhinein er-: ergeben ne das also 68 wurde der Soziologentag geplant //ja// und dann kam die Studentenre-: revolte ne und 90 wurde er geplant und dann kam die Wiedervereinigung ähm also ähm da-: das kann man im Vorhinein nicht äh vorhersehen was was da an großen gesellschaftlichen Ereignissen äh passiert
└FA: aber nach dem Soziologentag 68 kam dann ja äh jahrelang nichts das war dann schon ein äh unmittelbarer Effekt des Soziologentages 68
└WG: Ja die Soziologentage wurden still gelegt weil des äh (3) war ja hier drüben in der Messe (.) das Gebäude steht ja nicht mehr ne da war son alter Rundbau und in dem fand das damals äh statt und das ging schon (4) sehr heftig zu obwohl w-: wenn man heute die Texte ließt äh denkt man was für Bagatellen (.) wieso haben die sich gestritten, ne? Also wenn die da ist ja dieser berühmte äh Aufsatz über die horizontalen Disparitäten von Offe und Mohl und äh anderen, ne (.) der hat solche Wiederstände ausgelöst und eigentlich heute ist das selbstverständlich das Gut der Soziologie und man versteht überhaupt nicht mehr worüber es Streit äh gab.
FA:Oder der Disput zwischen Adorno und äh Dahrendorf °müßte°
└WG: Ja war mh auch eigentlich der Punkt nicht (3) das heißt hier wars doch 'n bißchen deutlicher sicher also der der Beitrag von Adorno 68 war marxistischer als jeder seiner anderen Beiträge äh finde ich, ne (.) Nie hat er eine so starke marxistische Position äh bezogen und da hat Dahrendorf als Liberaler äh dagegen äh gehalten (3). Der Dahrendorf der sah sich ja damals als eine der herausgehobenen Persönlichkeiten in Deutschland und dachte auch dran Bundeskanzler zu werden, ne (.) und ähm in der Soziologie hatte er auch die ( ) Führerschaft auch beansprucht und Adorno aber auch, ne (.) und deswegen sind die aufeinander geprallt.
VW: (2) Da hätt ich gerad mal nochmal ne Frage ähm wenn Sie jetzt rückblickend sowas wie ne Ahnengalerie entwerfen müssten von der Frankfurter Soziologie (.) wer würde sich denn da so an der obersten Spitze wiederfinden, welche Personen, wer war so ganz wichtig gewesen?
WG: Ja wie meinen Sie jetzt in äh sozusagen äh
└FA: Aus ihrer Perspektive, was sind so die (4) großen Namen?
└VW: Wer hat die Frankfurter Soziologie (2) °geprägt°
└WG: Naja äh Einzelpersonen würd ich gar nicht ne so äh absolut an die Spitze setzen, wie Sie das jetzt äh gefragt äh haben aber äh ich äh nehm die äh frühen Autoren Oppenheimer, Mannheim, Elias äh mit großen Interesse zur Kenntnis (.) also viel stärker als früher, ne (.) da war mir das äh veraltet und hat mich nicht so interessiert aber das halt der vielleicht ein Alterseffekt äh jetzt interessiert mich das äh interessanter=äh=weise äh und äh auch Adorno äh Horkheimer (.) bei Friedeburg hab ich sehr viel äh gelernt also meine großen Arbeitsgebiete also Einkommensverteilung und äh so etwas, die auch am Rande der Soziologie ( ) die hab ich bei Friedeburg gelernt und nicht äh bei Krupp oder einem anderen Ökonom, ne (5) Ja F-: Friedeburg, Habermas 'n bißchen aber eher eher äh wenig ähm und dann äh Zapf äh noch sehr stark und äh Tenbruck und Rüegg eigentlich am wenigsten, ne äh Luckmann auch 'n bisschen aber nicht äh also ich bin nicht in diese Spuren äh weiter gegangen, die äh Luckmann und äh Tenbruck da angelegt haben.
VW: Und was würden Sie sagen selber, persönlich, wer hat Sie am meisten geprägt, ihr selb-: also ihr Verständnis der Soziologie auch?
WG: (4) Also äh ich würde eigentlich immer sagen ich bin am meisten von mir selber von innen heraus (.) geprägt worden ohne dass ich weiss wo das herkommt, ne (.) ich kann anscheinend Soziologie gut (2) äh also F-: äh F-: ( ) Forschungsarbeiten machen auch Lehren manchmal und so und ich weiß nicht,wieso ich diese Gabe äh hab,ne (.) also ich hab sie nicht von einem dieser genannten Personen und das geht vielen äh Leuten so,ne (.) dass die ne innere Motivation haben und innere (.) von innen kommende Fähigkeiten haben wo sie nicht wissen
└VW: Versteh schon.
└WG: Worauf die zurück äh zu führen sind.
FA: Das sie auch die äh Erkenntnis der neueren Sozialisationstheorie, dass Sozialisation ja Selbstsozialisation ist.
└WG: ja
└FA: Im Grunde ( )
WG: Wieso geh ich von, hab ich immer gedacht, von äh vom fränkischen Dorf //mhm// nach Frankfurt (.) schreib bei Adorno ein Referat über Spencer und der gibt mir ne eins dafür, ne das kann doch irgendwie he wie das also da hatte mich ja noch niemand beeinflußt. Das ist mir einfach ein Rätsel, ne wie äh wie wie geht das (.) dass die Wolfs,ne, das waren Professorensöhne soweit ich weiss und der Krahl und so, ne, dass die das können ist ja ok, aber @wieso konnte ich das@, dass äh weiss ich bis heute nicht äh genau.
FA: Hat man es heute als Student leichter, als man es damals hatte, also wie hat man sich da finanziert?
WG: Nee leichter hat man es äh nicht, ich denk eher (2) äh dass es immer schwieriger wird, weil die Informationsgrundlage immer breiter wird, ne. Also wenn wir 'n Referat über Familiensoziologie geschrieben haben 1900 äh 67, dann konnte man noch alle relevanten Texte lesen und verarbeiten, ne. Völlig unmöglich heute,ne (.) sie m-: müssen viel stärker lernen selektiv vorzugehen, weil sie gar keine andere Chance haben, ne (.), man kann nicht mehr alle was z-: äh geschrieben worden ist auch nicht mehr alles äh was wichtig ist und @geschrieben worden ist @ zur Kenntnis nehmen (1) und das ist mir ein Problem und das äh wird ihnen ein viel stärkeres Problem sein.
└FA: nicht anders gehen, ja. Und der Gedanke der Interdisziplinarität äh kann man sagen, dass die schon voran war, als man die beiden Fakultäten zusammengeführt hat oder hat das äh eher das Spezialistentum befördert, dass man äh sich da spezialisieren musste.
WG: Ja wir waren eigentlich nie sehr stark interdisziplinär,ne (.) aber äh das hat auch damit zu tun, dass die Soziologie ja sich selber ein Profil erschaffen musste, ne das war ja nicht vorhanden
└FA: Richtig
└WG: und äh waren ja keine eingefahrenen Gleise. Also eigentlich fand ich, dass die interdisziplinäre Orientierung nie äh
└FA: Zur Debatte stand.
└WG: äh äh nie sehr stark war. Nicht zur Debatte stand würd ich äh a-: auch nicht sagen und ne gerade wenn man an die Politologie denkt da hats nicht viele äh intensive Kooperationsbeziehungen gegeben, ne. Also das war zwar am gleichen Fachbereich, aber die Zusammenarbeit war aus meiner Sicht gering.
FA: Ab-: aber wenn man sich so zum Beispiel die kritische Theorie äh äh äh vorstellt, die Zusammenarbeit mit der Psychoanalyse.
WG: (5) Ja also das ähm hat ja in dem Fall damit zu tun, dass die Ursprünge ähh ne eigentlich in der Psychoanalyse zum Teil liegen (.),das ist ja nicht so
└FA: Ja das stimmt
└WG: das die im Nachhinein angefangen haben sich nach draußen zu orientieren also etwas anders äh ge-: gelagert aber es sind auch schwache Beziehungen, ne, ist doch nicht so, dass die kritische Theorie mit von Psychoanalyse eindeutig äh geprägt äh ist. //mhm//
NM: Ähm wie ist das jetzt so ich denk mal, dass Sie davon ja jetzt auch noch betroffen sind mit diesen neuen Bachelor und Masterstudiengängen, also ich weiss nicht, hat das für Sie in der Lehre irgendwie was verändert auch.
WG: Also ich äh denk dazu, dass ich nur noch 1 1/2 Jahre habe und das ich denen, die das äh gestalten und auch ausbaden müssen nicht reinreden möchte, ne, also ich halt mich da sehr zurück und äh erzähl vielleicht mal aus Erfahrung, dass man die Bürokratisierung nicht übertreiben soll,ne, weil ja ist ja unendlich viel Bürokratie in diesen neuen Studiengängen
NM: Ja, ja weiß nicht, ist das nicht auch so, dass ähm irgendw-: also Creditpoints und sowas verteilt werden müssen oder verteilt werden für Seminare und also ich kenn mich damit überhaupt nicht aus, also legen Sie die als Professor fest, wieviel Punkte man dafür bekommt (oder) wird das von außen festgelegt.
WG: Äh das steht bei der Ausschreibung der Veranstaltungen dabei, ne, wenn die angeboten werden steht dabei wel-: welches Gewicht äh die haben (.) das sind dann die Creditpoints.
└NM: Aber das wird jetzt nicht von ihnen festgelegt dieses Gewicht, sondern
└VW: Nee das wird von °(oben gegeben)°
NM: Wird von oben ok, nicht ( )
WG: Ich glaub das w-: das beides passiert, ne, dass man s-: selber 'n gewissen Einfluß äh hat und äh das andererseits aber es halt allgemeine Regeln gibt äh ob ne Einführung in die Methoden jetzt äh 20 oder 60 Creditpoints bekommt.
VW: Ich hab jetzt mal anschließend daran ne Frage ähm, was würden Sie denn sagen, was unterscheidet denn die Studenten von ihrer Generation, also quasi ihren Kommilitonen, mit denen Sie zusammen studiert haben, zu denen, die Sie heute quasi unterrichten.
WG: Ja hab ich gestern der Friedrich Ebert Stiftung ((Schmunzeln)) @geschrieben@, weil die äh sich beschwert hatten, da-: dass sich viele Leute angemeldet hatten zu ner Veranstaltung @und dann kamen die nicht und@ dann hab ich geschrieben also, ne, dass Kennzeichen der jüngeren Generation, die Unverbindlichkeit äh erreicht inzwischen auch die Älteren, also das hohe Maß an Unverbindlichkeit äh äh äh das äh ihre Generation hat, das fällt mir am stärksten auf, ne, also das ist äh ein-: einmal Veranstaltungsteilnahmen aber das sind auch Verabredungen, das sind äh wenn jemand Referat übernommen hat findet der es nicht für notwendig mitzuteilen äh äh, dass er nicht da sein wird und äh solche Geschichten, ne, also das würd man ja auch Sekundärtugenden äh nennen, wurde das mal geschimpft, ne, aber das es ohne diese Sekundärtugenden allen schlechter geht äh das äh sieht man glaub ich inzwischen.
VW: Und jetzt in direkt in Bezug auf die Soziologie, weil das sind ja vielleicht Dinge, die alle Studenten betreffen, aber was ist jetzt speziell, gibts irgendwie ne ganz krasse Unterscheidung zwischen den Soziologiestudenten an sich in der Lehre, von damals zu heute (1) das Verhalten, das das das Kommunizieren, das, die Themengebiete, die die Studenten interessieren, oder, ist ihnen da irgendwas aufgefallen.
NM: Oder auch so das Verhältnis zum Lehrenden eben, also ich weiss nicht ähm