Walter Rüegg 90

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POLITIK Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.04.2008, Nr. 79, S. 4



Walter Rüegg 90

Walter Rüegg scheint der Inbegriff eines Professors zu sein, der keinen Unterschied macht zwischen Arbeit und Muße. Aber der noble Gelehrte ist vor allem ein Kämpfer, ein Verteidiger von Freiheit und Wissenschaft. Zwar zeigte der Soziologe vor 40 Jahren anfangs Verständnis für die Studentenrevolte. Aber als der SDS in Frankfurt eine Vorlesung von Carlo Schmid sprengen wollte, war es Rüegg, damals Rektor der Goethe-Universität, der sich vor dem Eingang gegen die Störer wehrte. Dieser Mut, verbunden mit Charme, Geist und Organisationstalent, wirkte in einer Zeit der allgemeinen Verunsicherung so beispielhaft, dass die Universitätsrektoren den weltläufigen Schweizer 1967 zum Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz wählten. Enkel eines Kleinbauern aus dem Zürcher Oberland, war er kühner Vordenker und bodenständiger Macher zugleich. Typisch für sein Eliteverständnis ist, dass er unter der "Konkurrenz der Kopfarbeiter" (1985) nicht das Ausstechen von Rivalen versteht, sondern das Bestreben, "etwas möglichst gut zu machen". Den besten Rahmen dafür bilde eine Stiftungsuniversität, wie Humboldt sie 1809 plante, wie die Goethe-Universität Frankfurt es 1914 schon einmal war und zu seiner Freude jetzt wieder ist. Kämpfen musste Rüegg auch bei der Herausgabe des vierbändigen Standardwerks "Geschichte der Universität in Europa". Im vergangenen Jahr wäre er beim Korrekturlesen fast erblindet; aber eine Operation erlaubt es dem Unermüdlichen, mit der Lupe zu lesen - auch die Glückwünsche zu seinem 90. Geburtstag an diesem Freitag. (Reu.)


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